Full text: Von Potsdam nach Doorn.

erfüllen könne, was er verkündete und versprach, und verantworten, was er 
tat, was er ließ, was er sagte. 
Es ist nicht möglich, den Standpunkt anzuerkennen, den der Kaiser in 
seinen nach 1918 verfaßten Büchern, in erster Linie: ‚Ereignisse und Ge- 
stalten“, einnimmt: seine politischen Ziele und Mittel und seine Weisungen 
seien immer richtig gewesen, aber seine beauftragten und amtlichen Rat- 
geber hätten sie nicht oder unrichtig ausgeführt. Wilhelm II. besaß durch- 
aus und jederzeit die Möglichkeit, sich der Beschreitung eines Weges oder 
der Fassung eines Entschlusses durch den Reichskanzler und dessen Staats- 
sekretäre zu widersetzen, diese zu entlassen, sich neue auszuwählen. 
Während der preußischen Konfliktszeit in den sechziger Jahren des ver- 
gangenen Jahrhunderts hat Bismarck sich bisweilen ironisch dazu geäußert, 
daß man in Deutschland für jedes Fach, für jedes Amt die erforderlichen 
Kenntnisse und Erfahrungen als selbstverständlich verlange, während einzig 
und allein in der Außenpolitik jeder sich für urteilsfähig halte und den An- 
spruch erhebe, von den Fachleuten für urteilsfähig gehalten zu werden, und 
diese zu billigen oder für unfähig zu erklären, und ihren Rücktritt zu ver- 
langen. Dieses Wort muß auch auf Kaiser Wilhelm recht weitgehend zur An- 
wendung kommen ; es wäre noch hinzuzufügen, daß der Kaiser, nach eigenen 
Äußerungen, ähnlich wie sein Großonkel Friedrich Wilhelm IV., glaubte, 
vielmehr ‚wußte‘, daß er in seiner Eigenschaft als König von Gottes Gnaden 
Einsichten erhalte, die anderen nicht zuteil würden. Freilich befand sich 
dieses Bewußtsein in labilem Gleichgewicht: in schlimmen Zeiten und nach 
Mißerfolgen zog er sich zurück, ließ andere machen und tadelte sie später: 
sie hätten seine Weisungen nicht ausgeführt. 
1889, als man in London das Ende von Bismarcks Kanzlerschaft voraus- 
sah und mit Erfolg heimlich beschleunigte, in jener Zeit, als die Königin 
Victoria den Kaiser durch die Verleihung des Titels ‚Admiral of the fleet“ 
hochbeglückte, ereignete sich gelegentlich der jährlichen Segelregatta auf 
der Reede zu Cowes, daß der Prinz von Wales in einer Rede erklärte: seiner 
Überzeugung nach würden ‚die große deutsche Armee und die britische 
Flotte dazu dienen, den Weltfrieden zu erhalten‘. — Diese Rede schien ein 
politisches Ereignis, nicht zum wenigsten, weil der sehr kühl wägende, kluge 
und frankreichfreundliche Prinz von Wales, der nachmalige König Eduard 
der Siebente, sie hielt. Ursache war eine englisch-französische Verstimmung, 
Zweck: dem Kaiser eine ihm sehr liebe Illusion zu stärken. In Frankreich 
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