Full text: Von Potsdam nach Doorn.

war in Deutschland seit zwei Jahrzehnten vorhanden, und ebensolange ver- 
folgte man die systematischen englischen Schritte, diesem friedlichen, rassen- 
verwandten Bauernvolk seine Freiheit zu nehmen, weilsein Gebiet unermeß- 
liche Schätze an Gold und Diamanten enthielt. Bismarck gab in einer Unter- 
redung die Antwort: ‚Das Telegramm des Kaisers hätte dem Präsidenten 
Krüger mit Schicklichkeit und Anstand von der englischen Regierung selbst 
geschickt werden können.‘ Daß die Absendung der Depesche vom Deut- 
schen Kaiser als politische Handlung zu billigen sei, drückt sich allerdings in 
der Bismarckschen Antwort nicht aus. Er würde dem Kaiser schwerlich dazu 
geraten haben. 
Die deutsche Bevölkerung, in echter, unpolitischer Begeisterung, war 
selbstverständlich der Überzeugung, daß die Depesche unter allen Um- 
ständen eine richtunggebende Kundgebung der deutschen Regierung für die 
Burenrepubliken und gegen Großbritannien bedeute. Alles war stolz auf 
den Kaiser: endlich hätten er und sein Volk einander verstanden! 
In seinen ‚Ereignissen und Gestalten‘ rückt der Kaiser weit von seiner 
Krüger-Depesche ab. Er spricht von der großen Erregung in Deutschland 
über den Jameson-Einfall und von der ‚heftigen Erregung, die auch die 
höheren Kreise der Gesellschaft ergriff‘. Ihm habe diese Erregung wegen 
etwaiger Verwicklungen mit England große Sorge gemacht. Die Initiative 
zur Depesche sei nicht von ihm ausgegangen, sondern von dem Staats- 
sekretär des Auswärtigen Amtes, Freiherrn von Marschall: die Erregung im 
Volk und im Reichstag sei so gewachsen, daß etwas geschehen müsse, am 
besten eine Depesche. Er, der Kaiser, und sein Freund, der Admiral Holl- 
mann, seien dagegen gewesen. Auf das Drängen des Staatssekretärs und dann 
auch des Reichskanzlers Hohenlohe habe er schließlich die Depesche unter- 
zeichnet: ‚Der Reichskanzler und Marschall bestanden aber darauf, daß Ich 
unterzeichne, unter Betonung ihrer Verantwortlichkeit für die Folgen. 
Diesen Vorstellungen glaubte Ich Mich nicht versagen zu sollen. Ich unter- 
schrieb!‘ 
Der Fall entbehrt nicht einer typischen Bedeutung: Seit seiner Jugend 
mit dem englischen Temperament vertraut, hätte er, wenn wir seiner Dar- 
stellung folgen wollen, wenigstens einen Teil der Folgen und Wirkungen der 
Depesche voraussehen müssen. 
Daß diese Darstellung des Kaisers die historisch richtige sei, ist ent- 
schieden zu bezweifeln, schon deshalb, weil eigentümlicherweise eine längere 
Reihe von Jahren die persönliche Initiative des Kaisers zur Sendung der 
Krüger-Depesche in der gesamten Weltöffentlichkeit, nicht zunı wenigsten 
in Deutschland, als selbstverständlich angenommen und von keiner Seite, 
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