Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Boden zu entfernen. An der Bewegung waren auch Mitglieder des Kaiser- 
hauses beteiligt, während die Kaiserin selbst offiziell die Boxerbewegung 
ablehnte. In Peking wurde die Deutsche Botschaft von den Boxern an- 
gegriffen und der deutsche Gesandte auf der Straße erschossen. Überall 
waren die Europäer, die Weißen überhaupt, in Gefahr. Die Mächte ent- 
sandten so schnell wie möglich Kriegsschiffe und Truppen. 
Der Kaiser fühlte sich in seinem Element, nämlich dem der Prestige- 
politik; die Fanfare erscholl über die Weltmeere und die Erdteile. Er be- 
schloß, fürchterliche Rache am .chinesischen Reiche zu nehmen, und er er- 
nannte den Feldmarschall Graf Waldersee zum Oberbefehlshaber. Sein Ehr- 
geiz stand dahin, den Feldmarschall von allen Mächten, die ebenfalls Trup- 
pen nach China geschickt hatten und schickten, als auch ihren Oberkomman- 
dierenden anerkennen zu lassen. 
Während in England noch darüber verhandelt wurde, verkündete der 
Deutsche Kaiser, der Zar habe ihn gebeten, daß Waldersee doch den Ober- 
befehl in China über alle dortigen Truppen übernehmen möge. Ganz kurz 
darauf stellte sich heraus, daß dieses den Tatsachen nicht entsprach. Der 
damalige deutsche Botschafter in Petersburg erzählte, wie der Zar ihm ge- 
sagt habe: er begriffe nicht, wie der Deutsche Kaiser diese Behauptung habe 
aufstellen können. Sein Außenminister habe ihn, den Zaren, gebeten, die 
Behauptung des Deutschen Kaisers dementieren zu dürfen. Er, der Zar, 
habe dies aus Rücksicht auf den Kaiser nicht getan. Wilhelm II. mußte sich 
damals der Unwahrheit bezichtigen lassen, ohne etwas dagegen sagen zu 
können; außerdem hatte er damit den Zaren vor den Kopf gestoßen. 
Im August 1900 wurde mit großen feierlichen Reden der ‚Weltmarschall‘“, 
wie er in Deutschland verspottet wurde, Graf Waldersee auf die Reise nach 
Ostasien gesandt. Der Kaiser überreichte ihm den Feldmarschallstab, 
wünschte ihm Lösung seiner Aufgaben, pries den Zaren für jene. Anregung 
— die der Zar nicht gegeben hatte! — und begrüßte mit Freuden, daß ‚‚die 
gesamte gesittete Welt ohne Unterschied aus freiem Antriebe Ew. Exzellenz 
nunmehr mit dem Kommando über ihre Truppen betraut‘ !— Graf Walder- 
see antwortete tief gerührt und feierlich, und schwur, daß, ‚solange der Arm 
die Kraft behalten wird, diesen Stab zu halten, ein Befehl zum Rückzug 
über meine Lippen nicht kommen wird‘ Er und sein ganzer Stab würden 
„den letzten Blutstropfen einsetzen für Ew. Majestät und Deutschlands 
Ehre‘ 
Kaum befand sich der Feldmarschall an Bord des Schiffes, das ıhn nach 
China brachte, da forderte die russische Regierung sämtliche an der chi- 
nesischen Angelegenheit beteiligten Mächte auf, ihre Truppen von Peking 
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