Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Gedanke war, daß dieser wichtigste Teil der französischen Kongo-Kolonie, 
zusammen mit dem deutschen Kamerun, ein großes deutsches Wirtschafts- 
gebiet: Westafrika bilden solle. Die Absicht einer Weggabe Togos erregte in 
Deutschland gleich so starken Widerspruch, daß darüber nicht mehr ver- 
handelt wurde. Man handelte dann hin und her, und was Deutschland 
schließlich in Afrika erhielt, war nach Wert und Ausdehnung ein jämmer- 
liches Tauschobjekt. Hätte die deutsche Regierung gleich beim ersten Auf- 
tauchen der Marokko-Frage Frankreich vor eine ähnliche Alternative ge- 
stellt, so würde alles ganz anders verlaufen sein. 
Der Verfasser dieser Schrift glaubt, aus persönlichen Gesprächen mit dem 
Staatssekretär von Kiderlen-Waechter zu Beginn jener Verhandlungen 
etwas Tatsächliches r'ır Erklärung anführen zu sollen: Auf die Frage, ob mit 
der Forderung des französischen Kongo ein Kuhhandel eröffnet werdensolle, 
sagte der Staatssekretär: Nein! Dem französischen Botschafter sei gesagt 
worden: diese Bedingung könne nur angenommen oder abgelehnt werden 
(a prendre ou & laisser). Auf die weitere Frage, ob der Staatssekretär auch 
der Ansicht sei, daß die Haltung Englands dieselbe sein werde wie in den 
bisherigen Marokko-Krisen, antwortete der Staatssekretär bejahend und 
fügte hinzu: Deutschland werde in diesem Falle unbedingt festbleiben, auch 
auf die Gefahr eines Krieges hin. Ich meinte: Ob der Kaiser nicht wieder kalte 
Füße bekommen würde, worauf Kiderlen-Waechter erklärte: Nein, er habe 
„das Pferd so dicht an den Graben herangeritten, daß es nicht mehr aus- 
brechen könne‘. Der deutsche Staatssekretär hatte sich getäuscht. 
Großbritannien griff planmäßig ein; Lloyd George hielt eine öffentliche 
Rede, in der er sagte: 
„Wenn uns eine Situation aufgezwungen würde, in der der Friede nur 
durch das Aufgeben der großen und wohltätigen Stellung erhalten werden 
könnte, die England sich in Jahrhunderten des Heroismus und des Erfolges 
erworben hat — und nur dadurch, daß Großbritannien in Fragen, die seine 
Lebensinteressen berühren, in einer Weise behandelt würde, als ob es im Rate 
der Nationen gar nicht mehr mitzählt, dann — ich betone es — würde ein 
Frieden um jeden Preis eine Erniedrigung sein, die ein großes Land, wie das 
unsrige, nicht ertragen könnte.“ 
Also eine offene Kriegsdrohung, weil Großbritannien eine Sonderverhand- 
lung zwischen Deutschland und Frankreich und gar eine Verständigung ohne 
Großbritannien nicht zulassen wollte. Unter allen Umständen wollte man in 
London verhindern, daß die beiden Festlandmächte friedlich miteinander 
übereinkämen; die traditionelle britische Politik! Der englische Außen- 
minister Grey äußerte außerdem: Deutschland wolle einen Punkt an der 
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