Kein Krieg, von dem die Kronen wissen
Es kamen die Koalitionskriege. Sie zeigten den großen Schwung und, trotz
aller Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, das unbedingt nationalistische
Wesen des französıschen Volkes — und, auf der deutschen Seite: Gespalten-
heit, Entschlußlosigkeit und Ziellosigkeit, an der freimaurerische Umtriebe,
zum Beispiel bei der großen Blamage von Valmy, großen Anteil hatten.
In Deutschland übte die Französische Revolution aber noch eine andere
Wirkung aus, die Gneisenau zu dem Wort veranlaßte: „Die Revolution
hat alle Kräfte geweckt und jeder Kraft einen ihr angemes-
senen Wirkungskreisgegeben.‘ Er zog den Schluß, daß auch Deutsch-
land sich dieses Ergebnis der Revolution aneignen müsse. Dieser Satz aus
der Zeit der tiefsten Erniedrigung Preußens und Deutschlands trägt schon
den Gedanken des Volkskrieges in sich. In den Koalitionskriegen und in
Napoleons Feldzügen war es immer die französische Nation, die kämpfte.
Für Frankreich Eroberungen und für Frankreich Ruhm, wie der Gedanke
des Ruhms ja den Franzosen stets eine Triebfeder von unbegrenzter Stärke
für jede Leistung und jedes Opfer gewesen ist.
Damit versanken die Zeiten, als die Kriege in und um Deutschland vonden
Fürsten und für die Fürsten geführt wurden; als die Truppen und die Offi-
ziere zusammenströmten oder geworben wurden, wo auch immer Krieg ge-
führt wurde, während die Einwohner, insbesondere das Bürgertum und die
Fürsten selbst, der Meinung waren, daß das eigene Volk so wenig wie mög-
lich beim Kriege in Mitleidenschaft treten sollte. Das war auch der Stand-
punkt Friedrichs des Großen noch gewesen. Jeder einzelne deutsche Staat
hatte da sein besonderes militärisches System, während Frankreich schon
unter seinen Königen lange straff zentralisiert gewesen war. Die Zentralisie-
rung wurde durch die Revolution mit ihrer Wegräumung der Privilegien des
Adels und so weiter eine noch vollständigere: das Volk führte tatsächlich
seine Kriege und in den Koalitionskriegen sogar in der Verteidigung seines
Landes, dann zur Eroberung und Unterjochung anderer Völker.
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Es war kein Wunder, ist aber als Tatsache festzuhalten, daß die französi-
sche Überflutung Deutschlands und vor allem der Niederbruch Preußens bei
Jena und das Elend der nächsten Jahre solche Gedanken entstehen ließen,
wie sie der Ausspruch von Gneisenau geformt hatte. Den Gedanken nicht
allein des Volkskrieges, sondern auch den an der deutschen Einheit über alle
Monarchien und Staatsgrenzen hinaus.
In Stein lebte ja dieser Gedanke schon vor dem Zusammenbruch 1806:
„Sollen die wohltätigen, großen Zwecke der Nation erreicht werden, so
3 Reventlow: Von Potsdam nach Doorn 33