meinem tiefen Schmerz aussprechen, daß ich während der Zeit meiner Re-
ventschaftsführung mehrfach bitteren Erfahrungen durch die Ungnade
Seiner Majestät preisgegeben war. Für die Lösung dieses Konflikts, soweit
er nur meine Person und Familie anbetrifft, werde ich menschliche Hilfe und
Vernuüttlung niemals ansprechen; ich stelle sie allein Gott und der Zukunft
anheim Ich kann auszusprechen nicht unterlassen, daß die Ausübung
einer disziplinarischen Korrektur gegen ein deutsches Staatsoberhaupt das
verfassungsmäßige Verhältnis der Bundesfürsten im Reich in seinen Grund-
lagen verändern müßte. Wenn Seine Majestät ihren Worten: ‚Dem Regenten,
was dem lIegenten zukommt‘, noch hinzuzufügen geruht haben: ‚weiter
nichts‘, so erscheint damit eine Auffassung zum Ausdruck gebracht, welche
die Begrenzung und Inhaltsbestimmung meiner landesherrlichen Rechte in
irgendwelchem Sinne von dem Allerhöchsten Willen oder der Gnade des
Kaisers absolut abhängig stellt. Gegen diese Auffassung lege ich namens des
von mir vertretenen staatsgrundsätzlichen Rechtes Verwahrung ein.“
Daß die Beschwerde dieses Bundesfürsten in jedem Punkte ebenso ge-
rechtfertigt war wie seine Entrüstung über die Behandlung, lag auf der
Hand. Der Eingriff selbst, dazu der schroffe, durch nichts begründete Ton
eines strafenden Vorgesetzten in der Depesche des Kaisers waren ganz un-
berechtigt. ein Blick in die Reichsverfassung genügte zur Feststellung. Die
Note persönlicher Verstimmung war vollends unangemessen. Es entsprach
wieder dem Wesen des Kaisers. daß er seinen Zorn und sein Cäsarengefühl
gerade an einem der kleinsten deutschen Bundesfürsten und noch dazu dem
nur vorläufigen, in ungemein schwieriger Lage befindlichen Grafregenten
hemmungslos ausließ. Mit einem Angehörigen eines der königlichen Häuser
des Reiches würde Wilhelm LI. sich diese Sprache nicht erlaubt haben.
Das Rundschreiben des Grafregenten an die sämtlichen Bundesfürsten des
Reichs machte nicht nur bei diesen einen tiefen Eindruck, sondern auch auf
die Bevölkerung der süddeutschen und mitteldeutschen Staaten: Was
mischt der König von Preußen und Deutsche Kaiser sich schon wieder und
in solcher unerhörten Weise in deutsche Rechtsangelegenheiten ein, die ihn
nichts angehen! Die ernst zu nehmende Presse der Bundesstaaten zeigte ein
erzürntes Unbehagen und die politische Befürchtung, daß der Kaiser seine
ihm aus der Reichsverfassung erwachsenden Verpflichtungen den Bundes-
fürsten und ihren Staaten gegenüber immer weniger halten werde. Der
Kaiser legte mit jener Angelegenheit an den T’ag, daß sein Brief an Bismarck
vom Jahre 1886 dieselbe Gesinnung und denselben Standpunkt aussprach,
wie diejenige, die er auch noch 1898 betätigte: ‚‚pariert muß werden!“ Bis-
marcks Antwort war ohne Eindruck geblieben.
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