innere Wandlung hervor, die sich seit Friedrich dem Großen unmerklich voll-
zogen hatte und durch die Fremdherrschaft geprägt wurde.
Der große König, der im Gegensatz zu Ludwig dem Vierzehnten sein
„erster Diener des Staates‘ ausgesprochen hatte, war gleichwohl als solcher
in wirklichem Sinne auch selbst mehr ‚‚der Staat‘‘, als der französische König
gewesen war ... mit dem Unterschiede nur, daß er nach Beendigung seiner
Kriege seine Hingabe an den Staat bis zum letzten Atemzuge dadurch be-
tätigte, daß er nach jeder Seite hin dem Volke zu helfen und es vorwärtszu-
bringen bemüht war, während wir dieses Moment bei Ludwig dem Vier-
zehnten vermissen. Er war der Mann der Eroberungskriege. Von Friedrich
dagegen sagt Bismarck: ‚Ihm waren zwei einander fördernde Begabungen
eigen, des Feldherren und eines hausbackenen, bürgerlichen Verständnisses
für die Interessen seiner Untertanen‘. Dieses Verständnis, gepaart mit dem
Pflichtbewußtsein den Untertanen gegenüber, zeigt schon ein gewisses, wenn
auch nicht entwickeltes und ausgesprochenes Gefühl, mit den Untertanen
im großen Rahmen volkeins zu sein.
Zwischen Friedrich dem Großen und seinem Großneffen Friedrich Wil-
helm dem Dritten lag die Zeit der Französischen Revolution und innerhalb
dieser die Regierungsperiode Friedrich Wilhelms des Zweiten. Sie war die
schiefe Ebene, die nach Jena führte. Der König erfretüte sich einer oberfläch-
lichen Volkstümlichkeit und suchte diese, abgesehen von einer bis zur
Schwäche gehenden Gutmütigkeit, um den Gegensatz seiner.Regierung zur
rücksichtslosen und bisweilen grausamen Strenge Friedrichs der Bevölke-
rung möglichst drastisch vor Augen zu stellen und den Namen des „Guten“
im Volksmunde zu erhalten.
Dazu kam der ihn wie so viele Fürsten schreckende Eindruck der Franzö-
sischen Revolution, z. B. in der damals akut gewordenen Judenfrage in
Europa: man müsse in dieser Frage endlich daran gehen, Reformen zu
treffen, die in anderen Staaten bereits längst vorhanden seien. Daß seine
Persönlichkeit und seine Regierung zur Achtung vor.dem Königtum unddem
monarchischen Gedanken nicht beigetragen haben, ist selbstverständlich.
Der Einfluß der Französischen Revolution allein würde ohne entscheidende
Wirkung gewesen sein, wenn Friedrich Wilhelm ein Mann und König von den
Ausmaßen Friedrichs und Friedrich Wilhelms des Ersten oder seines Nach-
kommens Wilhelm des Ersten gewesen wäre.
Die Verbundenheit Friedrich Wilhelms III. mit dem preußischen Volk
gründete sich in erster Linie auf die Schwere des gemeinsamen Leidens wäh-
rend der Napoleonischen Zeit, auf die Roheit, mit der Napoleon den König
und die Königin behandelte, und auf die große Rechtlichkeit und Ehrlichkeit
dieser beiden. Es ist ein wohl einzig dastehender Fall in der Geschichte der
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