Full text: Von Potsdam nach Doorn.

deutschen Monarchen, daß, als König und Königin, aus Ostpreußen zurück- 
gekehrt, ihren Einzug in Berlin hielten, sie selbst und die Masse der Zu- 
schauer in ein gemeinsames Weinen ausbrachen. Auch dann, wenn man die 
Sentimentalität jener Zeit in Abzug bringt, offenbart sich darin ein Gefühl 
menschlicher Zusammengehörigkeit zwischen Herrscherhaus und Volk von 
wirklicher Höhe und Tiefe, mochte der Ausbruch auch nur die Eingebung 
jenes Augenblicks sein. — Als Friedrich der Große aus dem Siebenjährigen 
Kriege siegreich in Berlin einzog und das Stadthaupt ihn mit einer Rede 
empfing: ‚Der schönste Augenblick usw.‘‘, unterbrach ihn Friedrich: ‚Der 
schönste Augenblick ist der Augenblick meines Todes!‘‘ — ließ sich in der 
Kirche allein das Tedeum spielen und weinte allein. — 
Die Frage liegt nun nahe, ob dieses Gemeinschaftsgefühl der Verbunden- 
heit zwischen Untertanen und Herrscher galt, oder zwischen der Bevölke- 
rung und zwei guten, ehrlichen Menschen, die ihren überkommenen Thron 
beinahe verloren hätten. Wären der König und die Königin abstoßende, un- 
gerechte, mit hervortretenden menschlichen und königlichen Fehlern be- 
haftete Persönlichkeiten gewesen, so würde selbst die Gemeinsamkeit des 
tiefen Leidens in der Napoleonischen Periode schwerlich die Verbundenheit 
und Rührung gezeigt haben, eher vielleicht das Gegenteil. 
Ohne Zweifel war gerade in Preußen der grundsätzliche Monarchismus in 
hohem Maße vorhanden, in der Hauptsache bei den höheren und herrschen- 
den Schichten, auch, jedoch nicht vollständig, im Offiziertum, im grund- 
besitzenden Adel und in der Geistlichkeit. Für diese beiden Schichten be- 
deutete das Gottesgnadentum gleichzeitig Kontinuität der Monarchie und 
der christlichen Staatskirche, die Friedrich der Große in so schwere Gefahr 
gebracht hatte, und Fortdauer der Herrschaft der privilegierten Stände 
im Staat. 
Die Französische Revolution hatte für alles dieses in ganz Europa, und 
nicht zum wenigsten in Preußen, schwere Wolken der Besorgnis aufziehen 
lassen. Was Gneisenau in der Zeit der Unterdrückung sagte: die Revolution 
habe alle Kräfte geweckt und jeder Kraft einen ihr angemessenen Wirkungs- 
kreis gegeben, haben wohl auch viele andere gefühlt, aber ein Übergreifen 
auf Deutschland nicht, wie Gneisenau, ersehnt, sondern gefürchtet. 
Dann konzentrierten die heimliche Rüstung für den Befreiungskampf und 
dieser selbst mit seiner unerhörten Anspannung aller Kräfte und mit seinen 
ungeheuren Ereignissen, die das ganze Volk, nicht allein Preußens, sondern 
auch im übrigen Deutschland, tief ergriffen und erschütterten, alle anderen 
Empfindungen und Zwecke verstummen lassend, nach außen hin und weit- 
gehend wohl auch innerlich, weil es eben für alle um die Freiheit in höchstem 
und tiefstem Sinne ging. Solange gekämpft wurde, war es ein wahrhafter 
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