Full text: Von Potsdam nach Doorn.

tischen Beziehungen pflegen konnte — gewöhnlich handelte es sich dabei um 
Intrigen gegen das verhaßte Preußen. Trotz der Jämmerlichkeit des alten 
„Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“, trotz des fortwährenden 
frevelhaften Egoismus des Kaisers gegenüber dem Reich und seinen Glie- 
dern zugunsten des Hauses Habsburg blieben die deutschen Fürsten auch 
nach den Befreiungskriegen von einer, man möchte sagen kleinbürgerlichen 
Ehrfurcht vor dem kaiserlichen Österreich erfüllt, die ihresgleichen suchte. 
Der österreichische Vertreter im Frankfurter Bundesrat hatte es sehr leicht. 
In demselben Jahre 1815 wurde die ‚Heilige Allianz‘‘ gebildet. Der Kaiser 
von Rußland war ihr Urheber, in erster Linie unter geistlich-religiösen Ein- 
flüssen, die teils katholisch, teils evangelisch, teils russisch-orthodox waren. 
Zunächst schlossen sich mit dem russischen Zaren der Kaiser von Österreich 
und der König von Preußen zusammen. Anschlossen sich die meisten klei- 
neren Staaten, England stellte nur einen Vertreter, wie man heute sagen 
würde: einen Horchposten für die Tagungen der ‚Heiligen Allianz‘. 
Die Kundgebung des Grundgedankens dieser eigentümlichen Allianz von 
Fürsten forderte die Wiederherstellung : der alten Frömmigkeit, des Kirchen- 
glaubens, der christlichen Tugenden, des Christentums überhaupt. Der gei- 
stige Kampf von Staat und Kirche sollte gehen gegen die Aufklärung und für 
Wiederbelebung aller derjenigen Anschauungen, hauptsächlich der Tugend 
des Gehorsams, die den Fürsten zur unmittelbaren Pflicht ihrer Untertanen 
zu gehören schien. 
Es konnte nicht fehlen, daß diese frommen Vorsätze sehr bald zu einem 
maskierten Werkzeug der Außenpolitik wurden. Daß die Heilige Allianz 
ihren eigentlichen, jedenfalls als eigentlich genannten, Zweck nicht erreichen 
konnte, war selbstverständlich, denn die vorhergegangenen hundertfünfzig 
Jahre der Aufklärung ließen sich nicht wegwischen, ebensowenig wie die 
Wirkungen und Folgen der Französischen Revolution. 
* 
In Deutschland ist, später noch, während der Dauer des Hohenzollern- 
kaiserreichs — die Zeit der Aufklärung als ein Gegenstand des Abscheus be- 
trachtet und in Geschichtsbüchern gezeichnet worden, als teuflisches Werk 
französischer Atheisten. Tatsächlich hat die französische Aufklärung ihre 
Wurzeln in England. In Frankreich wurde sie dann weiterentwickelt und 
bald zu einer mächtigen Waffe gegen Kirche und Monarchie und Adel. 
England hatte damals den Kampf gegen die Kirche, insbesondere gegen 
den Papismus, schon hinter sich, ebenso seine Revolution, als in Frankreich 
Kirche und absolutes Königtum herrschend und drückend bestanden. Die 
Aufklärung führte den Kampf gegen die Kirche, dessen Endzweck die be- 
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