Full text: Von Potsdam nach Doorn.

nach der Entlassung Bismarcks erklärte er, die Nörgler an seinem Kurse 
möchten ‚doch lieber den Staub von ihren Pantoffeln schütteln und das 
Reich verlassen‘. Der ‚Kladderadatsch‘‘ brachte damals ein berühmtes 
Bild ‚‚Der Zug der Nörgler‘‘: voran schreitet Bismarck, und unübersehbare 
Mengen folgen! Ein anderes Mal hieß es aus dem Munde des Kaisers: ‚Ziel 
erkannt, Kräfte gespannt, Schwarzseher verbannt!‘ Die ‚„Schwarzseher“ 
ließen sich aber nicht verbannen. Sie alle waren nationale Männer und ver- 
folgten die kaiserliche Politik mit wachsender Sorge und Erbitterung. Vor 
allem fürchteten sie für die Monarchie, wenn der ‚Neue Kurs“ noch lange 
weiterginge. Sie waren, so gut wie ausnahmslos, Monarchisten. Ein mon- 
archisches System im Rahmen der von Bismarck gemachten Reichsverfas- 
sung erkannten sie als das gesunde Fundament des neuen Reiches. Eine 
solche Monarchie würde so lange unbedingt widerstandsfähig bleiben, bis 
nicht ihr Träger selbst sie zermorschte. Diese Gefahr ist von den ‚Schwarz- 
sehern‘‘ jener Zeit früh erkannt. worden. Der Kaiser wollte die Zukunft 
rosig sehen, wollte auch rückblickend Erfolge da sehen, wo Mißerfolge waren, 
suggerierte sich dies fortwährend in seinen Reden und in deren Pressewider- 
hall. Aber — die Schwarzseher behielten leider recht. Sie hielten sich an die 
zeitlose Gültigkeit des Wortes, daß über die Richtigkeit einer Politik und 
die Fähigkeit des Staatsmanns nur der Erfolg entscheidet, nicht die Theorie, 
nicht der ‚‚gute Wille“: 
Von Jahr zu Jahr sah man das Erbe sich mindern, das Bismarck den 
Deutschen und ihrem Herrscher hinterlassen hatte. Jene Schwarzseher 
gaben sich nicht einem tatenlosen, besserwisserischen, nörgelnden Pessi- 
mismus hin, sondern versuchten ohne Aufhören, objektive, positive Kritik 
zumal an der Außenpolitik des Deutschen Reiches zu üben. Herrisch und 
mit hohem Pathos trat ihnen der Kaiser in Reden entgegen, ohne auch nur 
begreifen zu wollen, daß solche Kritiken zu helfen versuchten. Sie würden 
auch geholfen haben, wenn der Kaiser nicht sich, seine Absichten, seine Ver- 
sprechungen und sein Handeln als unfehlbar betrachtet und öffentlich hin- 
gestellt hätte. Für ihn aber war die Kritik auch noch anderthalb Jahrzehnte 
nach Bismarcks Entlassung ‚‚der Geist des Ungehorsams‘“‘. — ‚„Schwarzseher 
dulde Ich nicht‘‘, sagte er. Es lag aber nicht in seiner Macht, die wachsende 
Schar der Schwarzseher auszurotten oder umzukehren. Nur ein einziges 
Mittel war dazu imstande: eine stetige starke, nüchterne Politik. Von dem 
Augenblick an würde es keine Schwarzseher mehr gegeben haben. In Aus- 
führungen über dieses Thema schrieb der Verfasser 1906: 
„Lrotz allem, was sonst in den Auffassungen des Kaisers gewechselt hat, 
der Ton des Befehls ist derselbe geblieben, und man versteht ihn heute noch 
weniger als damals. Das byzantinische Element tritt da ‚ausgleichend‘ ein, 
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