Die Schmeichler, die Byzantiner sind in verschiedenem Hinblick streif-
lichtweise erwähnt worden. Wenn wir auf diesen Punkt noch einmal im
ganzen zurückkommen, so ist die Ursache nicht, daß der Verfasser vor bald
35 Jahren jenes öfter zitierte kleine Buch geschrieben oder weil der Byzan-
tinismus überhaupt sein Steckenpferd sei. Es handelt sich vielmehr, ab-
gesehen von dem Gegenwartseindruck jener Jahre um die Jahrhundert-
wende, um die geschichtliche Tatsache, daß der Byzantinismus — wenn wir
diesen Ausdruck beibehalten wollen — geradezu die Pest für das deutsche
Leben und für das deutsche Volk geworden war, und nicht minder für den
Kaiser, das Kaisertum und die Monarchie überhaupt. Daß diese Pest so
mächtig und bestimmend um sich greifen konnte, hat verschiedene Wurzeln
gehabt:
Versuche, durch Schmeichelei, sei es grobe oder raffinierte, den Herrscher
zu beeinflussen, ihn für Ziele des eigenen Egoismus zu benutzen, zu miß-
brauchen, sind uralt und werden niemals ausgerottet werden. Darüber
braucht kein Wort mehr verloren zu werden. Ob solche Bestrebungen dem
Monarchen gegenüber erfolgreich sind, hängt von seinem Wesen, seiner Per-
sönlichkeit, seinem Charakter ab. Kaiser Wilhelm II. war nicht der Mann,
der vielleicht sich in jugendlichem Alter eine Zeitlang Täuschungen über die
Schmeichler und das Schmeicheln hingegeben hätte, um sie dann als solche
zu erkennen und ein für allemal von sich zu weisen. Er hatte auch nicht, wie
sein Großvater, jenes gesunde, gerade und in bestem Sinne naive Gefühl der
persönlichen und monarchischen Würde; man kann nur wiederholt auf die
sehr schöne, treffende Charakteristik Wilhelm I. in Bismarcks ‚Gedanken
und Erinnerungen‘ hinweisen. Auch die innere und äußere Einfachheit und,
vor allem, der Blick für Menschen fehlte Wilhelm II., mit ganz wenigen Aus-
nahmen. Staatssekretäre von hoher Tüchtigkeit, wie Tirpitz und Posa-
dowsky, brauchte der Kaiser, besonders den ersteren für den Flottenbau,
aber er mochte sie nicht, weil sie immer nur sachlich waren und ihre Vorträge
nicht durch Anekdoten würzten, die dem kaiserlichen Geschmack ent-
sprachen. Zedlitz erzählt, wie der Kaiser einen neuen Militärkabinettschef
gebeten habe, ihm doch nicht nur trockene Vorträge und Berichte zu über-
mitteln, sondern dabei auch lustige Geschichten zu erzählen. Er war weder
willens noch imstande, wirklich ernsthaft zu arbeiten, wie sein Großvater,
und konnte es auch bei anderen in seiner Umgebung nicht ertragen. Alles
mußte so oder so Kasinogespräch sein. Im übrigen wurde von dieser weit-
bekannten Neigung des Kaisers unverhüllt gesprochen. Wenn irgend möglich,
wurde dafür gesorgt, daß bei kaiserlichen Besuchen von Städten oder Garni-
sonen Persönlichkeiten in seine Nähe gebracht wurden, die ihm allerhand
Geschichten und neueste Witze zu erzählen verstanden, also der Hofnarr
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