nigen Jahren sah er, daß er sich getäuscht hatte, fühlte sich dem Kaiser per-
sönlich um so mehr verpflichtet und ergeben, besonders um ihn zu beraten,
ihn vor Unvorsichtigkeiten und Irrtümern zu schützen. Einige Proben sind
in der Schilderung der ersten Regierungszeit Wilhelms II. gegeben worden.
Die sind dem Buche des Geschichtsforschers Johannes Haller entnommen:
„Aus dem Leben des Fürsten zu Eulenburg-Hertefeld‘‘; das Buch bedeutet
eine Rechtfertigung auf Grund einer langen Reihe dokumentarischer Belege.
Die Gunst des Kaisers diesem seinem selbstgewählten Freunde gegenüber
und sein unbeschränktes Vertrauen zu ihm hat unverändert über zwei Jahr-
zehnte hindurch gewährt. Es war nur selbstverständlich, daß Eulenburg zu
einer sehr einflußreichen Persönlichkeit rasch wurde, und es blieb, schon
weilsich von allen Seiten Menschen an ihn heranmachten, die außenpolitisch
oder militärisch oder innenpolitisch ihn zu benutzen versuchten, um in einer
von ihnen gewünschten Richtung auf den Kaiser einzuwirken. Ausweislich
des Hallerschen Werkes, wozu noch vorher verfaßte eigene Erinnerungen
kommen, hat Eulenburg ausnahmslos versucht, seinen Einfluß auf den Kai-
ser zu dessen und zum Wohl des Ganzen auszunutzen, nie zu eigenen Vor-
teilen. Auf der Hand lag, daß er sich viele zu Feinden machte, deren Wün-
schen und Bestrebungen er nicht Folge leistete. Ob Eulenburg mit seinen
Ratschlägen immer das Richtige getroffen hatte, ist selbstverständlich nicht
zu entscheiden. Er wird auch geirrt haben, wie viele andere, wie jeder
Mensch. Der Punkt, auf den es hier ankommt, ist einzig und allein, ob er ver-
sucht hat, loyal und ehrlich beim Kaiser für das einzutreten, was er für
vaterländisch richtig und nötig hielt. Diese Frage kann ohne Einschränkung
bejaht werden. Die andere Frage, ob jemals ihm das Gegenteil nachzuweisen
auch nur versucht worden ist, kann ebenso kategorisch verneint werden.
Der Geheimrat von Holstein schrieb 1892 an Eulenburg: ‚Einstmals wird
man jedenfalls sagen können, daß einer (Eulenburg. D. V.) da war, der Wil-
helm II. die Wahrheit sagte. Aber ich glaube wirklich, daß es doch nur einer
war.‘‘ Und: ‚Dieser Brief an den Kaiser war eine große, mutige Tat, aus-
geführt mit der genialen Gewandtheit, die Ihr Geheimnis ist.‘‘ Dieser Brief
lautete folgendermaßen — es handelte sich um innerpolitische Dinge:
„Ich kenne nicht alle Details der Vorgänge der letzten Tage, halte aber
trotzdem einen solchen Wechsel der Anschauungen Ew. Majestät für un-
möglich. Noch hat die parlamentarische Lage und das Verhältnis der Bundes-
staaten zu Preußen keine Änderung erfahren. Es ist dieselbe — wenn nicht
in diesem Augenblick noch akzentuiertere — wie im letzten Sommer, als mir
Ew. Majestät so gnädig und gütig gestatteten, Ihnen über Reichstagsauflö-
sung und ihre Folgen einen langen Vortrag zu halten. Ich wiederhole aus-
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