Full text: Von Potsdam nach Doorn.

gebende Urheberschaft ist zweifelsfreie Klarheit nie geschaffen worden. Die 
stärksten Anzeichen weisen auf den Fürsten Bülow hin, der ebenfalls mit 
Harden in geheimer Verbindung stand. 
Die Prozesse wurden benutzt, um unter teils unfähigen, teils beeinflußten 
Leitungen der Gerichtshöfe, dem Fürsten Eulenburg nachzuweisen, daß er 
sich früher homosexuell vergangen habe. Harden und sein Anwalt hatten 
das Glück, daß während derselben Zeit in einigen Regimentern homosexuelle 
Vergehen von Offizieren gegen Untergebene festgestellt worden waren, die 
auf ehrengerichtlichem und strafgerichtlichem Wege ihre Erledigung fanden. 
Harden benutzte diese Tatsachen, um sie womöglich mit seinen Beschuldi- 
gungen gegen Eulenburg zu kombinieren, und die Öffentlichkeit daraus auf 
eine allgemeine Verbreitung des Homosexuellentums in der Berliner mili- 
tärischen und Hofsphäre schließen zu lassen. Im Grunde zielte er auf den 
Kaiser, welchen er seit 1890 mit seinem Haß verfolgte, persönlich und um 
die Monarchie zu unterwühlen. 
Eine große Anzahl von Zeugen wurde vorgeführt, deren Aussagen sich als 
falsch, zumindest als nicht glaubwürdig erwiesen; einer, bestochen und be- 
droht, wurde vereidigt und gestand nachher, er habe gar nicht begriffen, 
worauf er den Eid habe leisten sollen. Fürst Kulenburg, schwerkrank und 
kaum verteidigungsfähig, wurde bis zur Ohnmacht vernommen, schließlich 
der Prozeß auf unbestimmte Zeit vertagt; er ist nicht beendigt worden. 
Auf alle Fälle hatte Holstein sein Ziel erreicht und Bülow das seinige, 
welches freilich auf anderem Gebiet lag. Die Rache an dem Fürsten Eulen- 
burg war vollzogen, er war am Hof unmöglich gemacht und vor dem ganzen 
deutschen Volk der Schande preisgegeben, dazu in den Verdacht des Mein- 
eids gebracht. Ein großer, stinkender Skandal war entfesselt worden in 
einer bisher unerhört gewesenen Weise. Der Kaiserhof war vor der ganzen 
Welt bloßgestellt und dem Ausland zum Gegenstand freudigen Spottes ge- 
macht worden. Alles in allem: ein großer Schaden war geschehen. Als nie- 
mand wagte, dem Kaiser Mitteilung von der Angelegenheit zu machen, tat 
es der Kronprinz. In seinen ‚Erinnerungen‘ schreibt er: 
„Es wäre damals zweifellos längst die Pflicht der amtlichen Stellen ge- 
wesen, den Kaiser auf den mehr und mehr in das Wissen aller dringenden 
Skandal hinzuweisen, ihm das Material zu unterbreiten. Sie ließen ihn blind 
und unwissend verharren. So mußte ich mich denn entschließen, den Schritt 
zu tun. Niemals im Leben werde ich das verzweifelte, entsetzte Gesicht 
meines Vaters vergessen, das mich fassungslos anstarrte, als ich ihn ım 
Garten des Marmorpalais von den Verfehlungen seiner nahen Freunde 
sprach. Dabei war die sittliche Reinheit des Kaisers so groß, daß er sich die 
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