schaft als souveräner Fürst. Die Schutzmauer des Gottesgnadentums, der
Glaube des Volkes daran, wurde immer löcheriger, am wenigsten noch in
Deutschland. Sie wieder aufzubauen, konnte auch das eifrige Bemühen der
Fürsten und ihrer Minister während des neunzehnten Jahrhunderts nicht
fertigbringen. Solche Fürsten, die ihr Gottesgnadentum betonten und gar
behaupteten, sıe bezögen aus ihrem unmittelbaren Königsverkehr mit
Gott — ein höheres Wissen, das sonst keinem Menschen zugänglich sei, er-
reichten das Gegenteil von dem, was sie mit solchen Behauptungen erstrebt
hatten. Ein verschwundener Nimbus läßt sich nicht ‚‚restaurieren‘“.
Ähnlich, in gewisser Weise, geht es mit christlichen Geistlichen, auch
denen der katholischen Kirche. Man hat begonnen, ihnen nicht mehr, als
geheiligten Stellvertretern des Stellvertreters Gottes auf Erden, einen ge-
wissen, absoluten, unantastbaren Wert beizulegen, sondern sie nach ihrer
Persönlichkeit zu bewerten.
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Es war also kein Zufall, daß die Heilige Allianz mit der Legitimität auch des
Gottesgnadentums alle souveränen Fürsten wiederherzustellen bestrebt war.
Die Heilige Allianz und der Deutsche Bund waren in jener Zeit auch die
Fundamentierung für die Scheidewände, die durch drei Dutzend Fürsten-
tümer und souveräne Fürsten das deutsche Volk an einer Vereinigung zu
einer einzigen, großen deutschen Nation unübersteiglich hinderten, Deutsch-
land als Ganzes nicht werden, noch gar in Erscheinung treten lassen sollten.
Ebenso wie das Ziel Frankreichs wurde damit das Ziel Metternichs erreicht:
von Wien aus die einzelnen deutschen Staaten in ihrer Politik zu beherr-
schen, sie einzeln oder in Gruppen gegeneinanderzuhetzen, je nach den
Habsburger Interessen.
Wenn Metternich später als sein Ziel erklärt hat: seine Politik sei ge-
wesen, einen stabilen Zustand in Europa zu schaffen, so gelang ihm dies im
wesentlichen durch den Egoismus, die Eifersucht und Kurzsichtigkeit der
Fürsten. Dazu kam auch die große Ermattung der Bevölkerungen durch die
Napoleonischen Kriege. Vor allem spürte man dies in dem ausgesogenen
Preußen. Das auch späterhin noch so oft mißbrauchte Schlagwort von der
Ordnung, die nunmehr herrschen solle, wurde beifällig aufgenommen. Nur
absolute Unterordnung unter Thron und Altar konnte die Ordnung schaffen
und erhalten ; nach Metternich und dem Urteil der meisten Fürsten.
Fürst Metternich wollte die innere Entwicklung Deutschlands ‚‚stillegen‘“,
wie man etwa eine Fabrik stillegt. Für uns heute ein ungeheuerlicher Stand-
punkt, gerade wenn man bedenkt, daß durch die Französische Revolution,
durch die langjährige Fremdherrschaft in Deutschland mit all ihrem Elend
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