Lage schrieb Eulenburg in seinen Tagesnotizen, zugleich schwerkrank, die
teilweise schon zitierten Sätze:
„In der furchtbaren Lage, in der ich mich befinde, vermag Menschen-
weisheit nichts mehr — es soll mir Gott der Führer sein, und ich will das
Kreuz tragen, das er mir gibt, und das andere vor mir getragen haben. —
Und in solchen Tagen einen Brief. wegen Orden schreiben! Welcher Ekel er-
faßt mich! Aber auch dieses Kreuz werde ich tragen, ich will niederschreiben
für die, die einst diese Zeilen lesen, was Könige sind, die ihrem ‚besten
Freunde‘ sagen, ‚daß sie bis zu ihrem letzten Atemzuge nicht vergessen
werden, was man für sie tat‘.‘“
In dem dann folgenden Briefe wegen der Orden schrieb Eulenburg auch
den folgenden, bereits zitierten Satz: ‚Deshalb haben diese Gegenstände
ihren Wert auch vollkommen verloren mit dem Augenblick, da Seine Maje-
stät im Andrang der öffentlichen und privaten Meinungen mich plötzlich:
fallen ließ.“
Die Frage mag sich dem Leser aufgedrängt haben, worauf sich überhaupt
der Verdacht homosexueller Vergehen Eulenburgs zurückgeführt habe. Es
könne sich doch nicht lediglich auf die vagen Andeutungen des Herausgebers
der Zeitschrift ‚Die Zukunft‘ der gesamte Plan aufgebaut haben. Greif-
bares ist darüber nicht festgestellt worden. Behauptet wurde verschiedent-
lich, die Berliner Polizei habe den Namen Eulenburgs in den Listen der
Homosexuellen geführt, und zwar sei es Herr von Holstein gewesen, der der
Polizei die Mitteilung: Eulenburg sei homosexuell, habe zukommen lassen.
Eine solche Aktion war Holstein, ebenso Bülow, ohne weiteres zuzutrauen
und konnte schon als Fundament für das gesamte Hardensche Vorgehen
dienen, denn die Polizei konnte sich hinter dem Dienstgeheimnis ver-
schanzen. Daß Harden und Holstein sich dabei nicht wohlfühlten und zuvor
alles versuchten, um auch, ohne hiermit herauszukommen, ließ sich denken ;
wie sie ja auch erst nachher an das Suchen und Machen von sogenannten
Zeugen herangingen. Hätten sie Tatsächliches gewußt, so würden sie wohl
gleich damit herausgekommen sein.
Die Aussage eines journalistischen Zeugen, Fürst Bismarck habe ihm
gegenüber von Eulenburg gesagt, er sei ihm immer homosexuell vorgekom-
men, stellte sich nachher als aus der Luft gegriffen heraus. Jener Zeuge,
hauptsächlich wohl durch Eitelkeit getrieben, etwas zu berichten, was Bis-
marck ihm gesagt habe, bewies seine Unzuverlässigkeit auch durch die Be-
hauptung, Bismarck habe Eulenburg bezeichnet als ‚den Mann mit den
Hyänenaugen“. Dabei war es seit Jahren bekannt, daß Bismarck gerade
diese Bezeichnung auf Holstein anzuwenden pflegte. Derselbe Zeuge — dies
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