Full text: Von Potsdam nach Doorn.

eine große Tat. Die Frage, ob solche Männer dagewesen wären, hat man 
später hier und da verneint, auch darauf hingewiesen, daß der Kaiser schon 
aus persönlichen Gründen, zumal aus persönlichen Abneigungen nicht zu- 
gestimmt haben würde. Die eigentliche Ursache aber lag nicht hier, sondern 
darin, daß die Männer, die in Betracht gekommen wären, in erster Linie 
Hindenburg und Tirpitz — sie sind öfter dazu angeregt worden -—, auf ihr 
militärisches Verhältnis zum Kaiser hinwiesen: die könnten nichts ohne den 
Befehl des Allerhöchsten Kriegsherrn tun, geschweige denn etwas gegen ihn. 
Gleichwohl war mehr als wahrscheinlich, daß der Kaiser, wenn er von diesen 
und anderen entschlossenen nationalen Männern mit der nötigen Energie 
angegangen worden wäre, er die Notwendigkeit eingesehen und nachgegeben 
haben würde, sei es an seiner Stelle bleibend oder dem Kronprinzen die 
Regentschaft übertragend; dazu stand ihm verfassungsmäßig alle Befugnis 
zu, der Reichstag hatte nichts hineinzureden. Der Kaiser aber, wie er wäh- 
rend des ganzen Krieges immer ‚‚der timideren Seite‘ gefolgt war, wie es in 
seiner Natur nun einmal lag, war selbst weit entfernt von solchen Gedanken. 
Im Oktober 1918 stimmte Wilhelm II., unter den erforderlichen Druck 
gesetzt, der Einführung des parlamentarischen Regimes in Deutschland zu. 
Der Umschwung wurde durch eine kaiserliche Botschaft eingeleitet. Sie ent- 
hielt unter anderem die Sätze: 
„Ich wünsche, daß das deutsche Volk wirksamer als bisher an der Be- 
stimmung der Geschicke des Vaterlandes mitarbeite. Es ist daher Mein 
Wille, daß Männer, die von dem Vertrauen des Volkes getragen sind, in 
weiterem Umfange teilnehmen an den Rechten und Pflichten der Regierung.“ 
Damit war der entscheidende Schritt zur parlamentarischen Demokratie 
beschritten, der Monarchie ıhr Fundament zertrümmert worden. In der (Ge- 
schichte zeichnet sich dieser Zeitpunkt um so drastischer ab, als zugleich der 
neue, der erste parlamentarische Reichskanzler, Prinz Max von Baden, im 
Auftrage des Kaisers, an den Präsidenten der Vereinigten Staaten die Bitte 
richtete, er möge die Herstellung des Friedens und einen sofortigen Waffen- 
stillstand vermitteln. Beiläufig mag bemerkt werden, daß dem Prinzen mit 
Unrecht die Initiative zu diesem verhängnisvollen Schritt aufgebürdet 
worden ist. Prinz Max ist vielmehr von der Obersten Heeresleitung und dem 
Deutschen Kaiser gezwungen worden und hat es selbst als ein Opfer für das 
Vaterland betrachtet, den Kanzlerposten anzunehmen. Nach einer Be- 
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