Full text: Von Potsdam nach Doorn.

am allerwenigsten geeignet, Wilhelm Il. darüber aufzuklären, daß die Kata- 
strophe der Monarchie vor der Tür stand und, wenn überhaupt, jetzt mit 
Willen und Ziel gehandelt werden mußte. Ein langjähriger Flügeladjutant 
Wilhelms II. sagte dem Verfasser während der ersten Periode des Krieges 
in einem Gespräch über die Möglichkeiten eines vorwärtstreibenden Ein- 
flusses auf den Kaiser: „Er hat uns alle entmannt!‘‘ Das war die gleiche 
furchtbare, richtige Charakteristik wie die vom Admiral von Tirpitz in 
seinen Kriegsbriefen niedergelegte. 
Wir wissen es nicht, und die Äußerungen des Kaisers in seinen ‚Ereignisse 
und Gestalten‘ geben keine wirklichen Aufschlüsse : ob und wie Wilhelm II., 
als die Katastrophe auch dem, der sie nicht sehen wollte, in die Augen 
sprang, sich über eine feste Richtlinie seines Handelns, seines Verhaltens 
überhaupt für sich als Kaiser, als König von Preußen und als Persönlichkeit 
ins Auge gefaßt hat. 
Seine Antwort an den Grafen Lerchenfeld war lediglich, selbst in diesem 
Augenblicke, nur eine hochtrabende Redewendung: ein Nachfolger Fried- 
richs des Großen danke nicht ab. Freilich läßt gerade dieses Wort die viel- 
leicht im Grunde zutreffende Deutung zu wäre nicht Friedrich der Große 
sein Vorgänger auf dem Thron gewesen, so würde der Kaiser seiner Ab- 
dankung von vornherein nicht ablehnend gegenüberstehen. 
Abgesehen davon, zeigt das ganze Verhalten des Kaisers und seiner Um- 
gebung, außer dem des scharfsichtigen Admirals und Staatssekretärs a. D. 
von Hintze, daß man im Hauptquartier sich über die innerpolitische Macht- 
lage nicht klar war und erst recht nicht darüber, daß sie zugunsten des 
Kaisers und der Monarchie bei entsprechendem Willen hätte geändert 
werden können. Man bedeckte die geschlossenen Augen und tat nichts. Nur 
das eine scheint während der Dauer jener Lage Tatsache zu sein, daß der 
Kaiser im stillen auch für alle Fälle damit gerechnet hat, die Linke werde 
ihn Kaiser bleiben lassen bei einer parlamentarisch umgestalteten Ver- 
fassung. 
Am 24. Oktober 1918 hieß es dann in einer neuen Note Wilsons: ‚Es ist 
klar, daß das deutsche Volk kein Mittel hat, um zu befehlen, daß sich die 
deutschen Militärbehörden dem Volkswillen unterordnen, daß die Macht des 
Königs von Preußen, die Politik des Reichs unter seiner Kontrolle zu halten, 
noch unzerstörbar ist, daß die entscheidende Initiative noch immer bei denen 
liegt, welche bis jetzt die Herrschaft in Deutschland waren.‘ Die Völker der 
Welt hätten kein Vertrauen zu diesen noch bestehenden Gewalten. Aus- 
schließlich mit den Vertretern des Volkes könnten sie verhandeln, weil diese 
Vertrauen verdienten. Müsse man aber mit den ‚„monarchischen Auto- 
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