Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Als Hintze zu Ende war, nickte er kurz — suchte dann mit seinen Augen 
den Blick des Feldmarschalls, als müsse er bei ihm Kraft und Hilfe finden in 
seiner Qual. Aber da war nichts. Still, tief erschüttert, in ausweglosem 
Schweigen stand der große alte Mann und ließ das Schicksal seines Königs 
und Herrn, dem er so lange treu und tapfer als Soldat gedient hatte, sich 
erfüllen.‘ — 
Als Antwort nach Berlin gab der Kaiser dann auf, er sei bereit, die Kaiser- 
krone niederzulegen, aber er bleibe König von Preußen und werde sein Heer 
nicht verlassen. Und dann kam jene Nachricht aus Berlin, daß man den 
Rücktritt des Kaisers und den Verzicht des Kronprinzen bereits vorwegge- 
nommen habe. Der Kaiser entließ dann seinen Sohn mit den Worten: er 
bleibe beim Heer, bleibe König von Preußen und danke als solcher nicht ab. 
Gefolge und Berater und Offiziere unterhielten sich dann noch darüber, ob es 
nicht geraten sei, daß der Kaiser ins Ausland ginge, und zwar nach Holland. 
Anscheinend war nur der General Graf Schulenburg dagegen gewesen, der 
aber gleich zu seiner Truppe zurückfahren mußte. 
Der Kaiser schien nunmehr fest entschlossen, bei der Truppe zu bleiben 
und als König von Preußen nicht abzudanken. Er erteilte dem General 
von Gontard am Frühnachmittag des 9. November den Befehl, das Haupt- 
quartier, eine Villa, für den Aufenthalt seines militärischen Gefolges vor- 
zubereiten, auch für Waffen und. Munition Sorge zu tragen. Als der Feld- 
marschall, der Staatssekretär von Hintze und noch ein Generaladjutant ihn 
aufsuchten, erklärte der Kaiser ihnen: ‚Ich habe eben dem Kronprinzen ge- 
schrieben, ich bleibe beim Heer.‘‘ Man stellte ihm nun eindringlich vor, als 
äußersten Ausweg zu erwägen, nach Holland überzutreten, da sein weiterer 
Aufenthalt beim Heer unmöglich werden könne, die Lage sich stündlich ver- 
schlechtere und nicht zu verantworten wäre, wenn der Kaiser von meutern- 
den Truppen nach Berlin geschleppt und der revolutionären Regierung als 
Gefangener ausgeliefert würde. Daraufhin erklärte der Kaiser in starker Er- 
regung sich zwar damit einverstanden, daß Hintze vorbereitende Schritte 
für eine eventuelle Aufnahme in Holland treffe, hielt aber innerlich an dem 
Gedanken, in Spa zu bleiben, ‚unerschütterlich‘“ fest. 
(Eisenhardt-Rothe: „Der Kaiser am 9. November““.) 
Wenige Stunden später sagte er einem seiner Flügeladjutanten: ‚Und 
wenn mir nur noch einige von meinen Herren treu bleiben, mit denen ich 
kämpfe bis zum äußersten, und wenn wir alle totgeschlagen werden, vor dem 
Tod habe ich keine Angst. Auch lasse ich Frau und Kinder im Stich, das kann 
ich nicht, ich bleibe hier.‘ 
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