Um dieselbe Zeit sagte er dem General von Gontard:
„Ich will bei meinem Heer bis zum äußersten ausharren und mein Leben
einsetzen. Man will mich veranlassen, meine Armee zu verlassen. Das ist
eine unerhörte Zumutung. Das sieht ja aus, als ob ich mich fürchte. Meine
Frau bleibt mitten in den Unruhen tapfer in Potsdam. Ich bleibe hier.“
Dem Feldmarschall ließ der Kaiser dann sagen, er habe die Abreise auf-
gegeben, nicht etwa aufgeschoben. Persönlichkeiten seines Gefolges stellten
ihm aber auch weiter vor, meuternde Truppen sperrten die Wege, keine Zeit
sei mehr zu verlieren, und — um zehn Uhr abends entschloß sich dann der
Kaiser, doch zu fahren.
General von Eisenhardt-Rothe schreibt: ‚Er war mürbe gemacht und
sah keinen anderen Ausweg mehr.“
Unmittelbar vor der Abreise schrieb der Kaiser an den Kronprinzen:
„Lieber Junge!
Da der Feldmarschall mir meine Sicherheit nicht mehr gewährleisten
kann und auch für die Zuverlässigkeit der Truppe keine Bürgschaft über-
nehmen will, so habe ich mich entschlossen — nach schwerem inneren
Kampf —, das zusammengebrochene Heer zu verlassen. Berlin ist total ver-
loren und in der Hand der Sozialdemokraten, und sind dort schon zwei Re-
gierungen gebildet, eine von Ebert als Reichskanzler, eine daneben von den
Unabhängigen. Bis zum Abmarsch der Truppen in die Heimat empfehle ich,
auf Deinem Posten auszuharren und die Truppen zusammenzuhalten! So
Gott will, auf Wiedersehen! General von Marschall wird Dir weiteres mit-
teilen. Dein tiefgebeugter Vater.‘
In seinem Buch ‚‚Ereignisse und Gestalten‘, das im Jahre 1921 erschien,
schreibt Wilhelm 11.:
„fs ist viel darüber geredet worden, daß ich die Armee verlassen habe und
in das neutrale Ausland gegangen bin. — Die einen sagen: der Kaiser hätte
sich zu einem Truppenteil der Kampffront begeben, mit ihm sich auf den
Feind stürzen und in einem letzten Angriff den Tod suchen sollen. — Da-
durch wäre aber nicht nur der vom Volke heiß ersehnte Waffenstillstand,
über den bereits die von Berlin zu General Foch entsandte Kommission ver-
handelte, unmöglich gemacht, sondern auch das Leben vieler, und gerade
der besten und treuesten Soldaten nutzlos geopfert worden.
Andere meinen: der Kaiser hätte an der Spitze des Heeres in die Heimat
zurückkehren sollen. — Eine friedliche Rückkehr war aber nicht mehr mög-
lich ; die Aufständischen hatten sich der Rheinbrücken und anderer wichtiger
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