eignis.‘‘ Dieses Ereignis ist inzwischen längst zu Geschichte geworden. Es
wird immer einer der Höhepunkte der Geschichte der Deutschen bleiben.
Die deutsche Einheit war Bismarcks Gedanke schon, ehe er sich in ver-
antwortlichen Stellungen befand, und ehe er sich selbst persönlich diese ge-
schichtliche Aufgabe gestellt hatte. Bekannt ist seine Wette mit seinem
amerikanischen Studienfreunde Coffin: In zwanzig Jahren werde die deut-
sche Einheit hergestellt sein. Es ist wichtig, festzustellen, daß die Einigung
der Deutschen für Bismarck der erste Gedanke und das eigentliche Ziel blieb
— die Wiederaufrichtung eines deutschen Kaisertums nur das notwendige
Mittel bedeutete, um die deutsche Einheit in eine äußere und innere Form zu
bringen und sie dadurch dauerhaft zu machen.
Wie der nachmalige Kaiser Friedrich, der Sohn Wilhelms des Ersten und
Kronprinz, in seinem Kriegstagebuch schrieb, habe Bismarck ıhm damals
gesagt: 1866 habe er sich noch nicht mit der Kaiserfrage beschäftigt gehabt.
Seitdem er die Notwendigkeit erkannt hatte, betrieb er die Lösung der
Kaiserfrage in unmittelbarer Verbindung mit der Herstellung der deutschen
Einheit. Jenes geschichtlich-romantische deutsche Kaiserideal der ersten
zwei Drittel des neunzehnten Jahrhunderts lag Bismarck fern. Den Kaiser
erachtete er als notwendig für die Einheit. Die deutsche Einheit aber wollte
er um ihrer selbst willen, nicht etwa als Mittel zur Verwirklichung desTraums
von der deutschen Kaiserkrone, geschweige denn, um dem Hohenzollern-
haus Kaiserwürde und Kaisermacht zu erringen, oder aus Bewunderung und
Liebe für den ehrwürdigen König von Preußen, Wilhelm den Ersten. Ohne
Klarheit hierüber ist ein Verständnis des Wesens der Reichsschöpfung und
der nachfolgenden Reichsgeschichte bis 1918 nicht möglich.
Der glänzende, schnelle Verlauf des siegreichen Krieges von 1870/71
unter der Führung Preußens rückte ohne weiteres die Verwirklichung der
deutschen Einheit in unmittelbare Nähe. Schon vorher hatte der Sieg Preu-
Bens, 1866 über Österreich, Bismarck ermöglicht, den Norddeutschen Bund
zu schaffen und den Bundes-Reichstag. Zugleich begann der Bundeskanzler
Bismarck mit den-nicht zum Norddeutschen Bund gehörigen süddeutschen
Staaten über engeren Zusammenschluß erfolgreich zu verhandeln. In diesem
Stadium kam der Konflikt mit Frankreich, dessen siegreiche Beendigung,
seit der Schlacht von Sedan am 1. und 2. September, unzweifelhaft war. In
dieser Hochstimmung im Felde und in ganz Deutschland mußte das Eisen,
das schon so lange im Feuer lag, seine fertige Form erhalten — der Kaiser
mußte geschaffen werden. Aber wie ?
Noch immer gab es in Deutschland zwei Dutzend regierende und herr-
schende Monarchen: vier Könige von Napoleons Gnaden, dann Großherzöge,
Herzöge und Fürsten. Auch diese Fürsten hatten die Notwendigkeit der
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