Full text: Von Potsdam nach Doorn.

griffen, daß Hoffnungen auf Neues und auf Förderung von Neuem vergeb- 
lich waren. Gleichwohl blieb für die Nachgeborenen sein Name mit der Qual 
und Schmach und dem He:dentum und dem Sieg, mit der Fremdherrschaft 
und der Befreiung und dem nachherigen wirtschaftlichen Aufstiege Preu- 
Bens unlösbar verbunden. 
Ein Führer war Friedrich Wilhelm der Dritte nicht gewesen und konnte es 
nicht werden, denn Führer werden geboren. Das war Preußens Unglück, 
denn einen Führer hatte es nötig, wie jedes Land und jedes Volk. Einen 
Führerkönig oder einen führenden Staatsmann erwartete auch das Preußen 
von 1840, als Friedrich Wilhelm der Vierte zur Regierung gelangte. Wollte 
man fragen: ein Führer, wohin ? — so wäre die Antwort gewesen: ein Führer 
zu den Aufgaben, die der Drang der Entwicklung auf beinahe allen Gebieten 
dem Volk und Staat eröffnete und damit stellte. Die deutsche Aufgabe Preu- 
Bens fühlte man. Wie sie zu erfüllen war, konnte nur ein Führer zeigen. 
Wie man heute vom Stillegen einer Fabrik spricht, sagten wir oben, so 
hatte Metternich die deutschen Staaten stillgelegt. Während aber eine Fabrik 
nur stillgelegt wird, wenn ihre Weiterführung nicht möglich oder nicht ren- 
tabel ist, so handelte es sich in den deutschen Staaten und besonders in 
Preußen um eine Fülle zurückgezwungener Kräfte und ebenso drängender 
sachlicher wirtschaftlicher und politischer Notwendigkeiten, um einenStrom, 
der lange Zeit künstlich abgedämmt und sich immer höher und gefährlicher 
aufstaut. Und alle diese Kräfte wollten Freiheit der Bewegung und des Wir- 
kens, bedurften zielbewußter Lenkung. Vergleicht man diejenigen Kräfte, 
die nur zerstören, mit denen, die auf ihre Art fruchtbar wirken konnten und 
wollten, so war kein Zweifel, daß die positiven Kräfte weit in der Übermacht 
waren, wenn sie, kühn und weise geführt, zusammengefaßt worden wären. 
Die anderen, die zerstörenden und auf Verneinung des Bestehenden ge- 
richteten Kräfte und Bestrebungen, konnten dann nicht nur eingedämmt, 
sondern vernichtet werden. 
Die Liberalen und ungezählte Preußen außerhalb der Parteirahmen waren 
durchaus nicht durchweg ohne preußische Königstreue, nicht ohne Anhäng- 
lichkeit an das Königshaus selbst. Sie erblickten aber in eben diesem ihnen 
allen angestammten Königshause auch den Führer zum geeinten Deutschen 
Reiche der Zukunft, sei es in Gestalt eines Kaisers oder mit einem anderen 
Titel. 
Wir glauben, wieder hervorheben zu sollen: es ging den Deutschen Preu- 
Bens und in den meisten anderen deutschen Staaten nicht um den ‚Glanz 
der Kaiserkrone‘‘ und deren Erneuerung, sondern um des ‚‚Deutschen Vater- 
land‘ im Sinne des Arndtschen Liedes; nicht um den Titel, sondern um den 
Inhalt. 
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