Messias-Glaube ; laßt uns an ihm festhalten.‘‘ — Mit großer Geschicklichkeit
machte Rießer die deutschen Liberalen glauben, daß eigentlich sie und die
Juden dasselbe Recht und dieselbe Freiheit wollten: in keiner Weise seien
die Juden eine Nation, sie besäßen ja keinen Staat! Unmenschlich und un-
sinnig sei es, den Juden vorzuhalten, daß sie einmal in Deutschland ein-
gewandert seien. Im Gegenteil, sie seien eingeboren und deshalb entweder
deutsch oder heimatlos. Auf das Ansinnen für alle Juden, sich taufen zu
lassen, sei zu antworten: Es gäbe nur die Bluttaufe im Kampf für Freiheit
und Vaterland. Solche Phrasen waren damals von außerordentlicher Schlag-
kraft, sind es auch noch lange nachher geblieben, ihre Zweideutigkeit: be-
merkte man nicht.
Friedrich Wilhelm der Vierte liebte die Juden nicht. Er war der Anschau-
ung, sie seien eine Nation, keineswegs eine ‚„Religionsgemeinschaft“. Im
Gegensatz zu einem auch unausgeführt gebliebenen Plane seines Vaters:
„die obere Klasse‘‘ der Juden müsse größere Rechte im Staate haben als die
große Masse der Juden — hatte Friedrich Wilhelm der Vierte zunächst die
Absicht, den Juden, eben weil sie eine Nation seien, ihre freie Gemeinde-
verfassung zu geben, sie dagegen — eben als jüdische Nation — aus dem
staatlichen Leben Preußens auszuscheiden, weil der preußische Staat die
Verkörperung des christlichen Gedankens darstelle. Die Juden dürften also
weder Staatsbeamte sein noch zum Militärdienst herangezogen werden.
Dieser Plan, niemals offiziell verkündet, wurde gleichwohl bekannt und
hatte ein ungeheures jüdisches Empörungsgeschrei zur Folge. Bittschriften,
Beschwerden und Reden machten nicht nur alle Juden, sondern auch die
braven deutschen Liberalen mobil. Rießer verkündete in höchstem Pathos
einmal über das andere, daß die Juden wirklich nur eine Religionsgemein-
schaft seien. Wie schon so oft in ähnlichen Fragen, gab die preußische Regie-
rung dem großen Judensturm nach, und so wurde 1847 das Gesetz durch-
gedrückt:
„Die Juden, die in allen Landesteilen — mit Ausschluß des Großherzog-
tums Posen — ihren Wohnsitz haben, genießen — soweit dies Gesetz nicht
ein anderes bestimmt — neben gleichen Pflichten auch gleiche bürgerliche
Rechte mit unseren christlichen Untertanen.‘ —
Die Juden waren empört über die Einschränkungen, besonders über das:
„soweit dieses Gesetz‘. —
Von Friedrich Wilhelm dem Vierten, der überhaupt ein Meister geist-
reichen Witzes war, stammt auch das Wort, nach der Aufführung der ‚Huge-
notten‘‘ von Meyerbeer: ‚Katholiken und Protestanten schlagen einander
die Schädel ein, und der Jude (Meyerbeer) macht die Musik dazu.“
*
17