In seiner Eigenschaft als ‚‚das gesetzliche Organ der nationalen und po-
litischen Einheit Deutschlands‘“ wende er sich vertrauensvoll an die deut-
schen Regierungen und das deutsche Volk: die innere und äußere Sicherheit
könne nur dann ungefährdet bleiben, ‚wenn in allen deutschen Landen das
einmütigste Zusammenwirken der Regierungen und Völker und die innigste
Eintracht unter allen deutschen Stämmen mit gewissenhafter Treue ein-
gehalten werden‘. Er, der Bundestag, werde von seinem Standpunkt aus
alles aufbieten, um gleich eifrig für die Sicherheit Deutschlands nach außen
sowie die Förderung der nationalen Interessen und desnationalen Le-
bens im Innern zu sorgen. Er vertraue mit voller Zuversicht auf den in den
schwierigsten Zeiten stets bewährten gesetzlichen Sinn, auf die alte Treue
und die reife Einsicht des deutschen Volkes. Der Frankfurter Bundestag
proklamierte feierlich: ‚Deutschland wird und muß auf die Stufe gehoben
werden, die ihm unter den Nationen Europas gebührt — aber nur der Weg
der Eintracht, des gesetzlichen Fortschritts und der einheitlichen Ent-
wicklung führt dahin.‘
Schon nach weiteren zwei Tagen erließ der Bundestag ein Dekret, das
„Jedem deutschen Bundesstaat freistellte, die Zensur aufzuheben und Presse-
freiheit einzuführen; dies dürfte jedoch nur unter Garantien geschehen, die
die anderen deutschen Bundesstaaten und den ganzen Bund gegen MiB-
brauch der Pressefreiheit möglichst sicherstelle‘“.
Das war in wenigen Worten ein Eingeständnis der Kopflosigkeit und
Schwäche. Vierzig Jahre war gerade der Bundestag das Instrument des
Metternichschen Zwanges gewesen, des Prinzips, nichts dürfe in den euro-
päischen Staaten geändert werden. Vierzig Jahre hindurch war der nationale,
der deutsche Gedanke verpönt gewesen. Wer auch nur in den Verdacht ge-
riet, ihm anzuhängen, war Demokrat, Jakobiner, Hochverräter. Und dieser
selbe Bundestag erklärte auf den neuen französischen Umsturz hin, er
werde alles aufbieten, um die nationalen Interessen zu fördern und für das
Nationale im Innern zu sorgen. Dazu jene ‚Feierliche Proklamation‘ und
zwei Tage später Aufhebung der Zensur und Gestattung der Pressefreiheit,
dazu die zaghafte Aufforderung: den Bund möglichst gegen Mißbrauch der
Pressefreiheit sicherzustellen. — Die Angst und die Überraschung hatten in
wenigen Tagen den Deutschen Bund von Frankfurt alles verleugnen lassen,
was er vierzig Jahre lang — nach der einen Seite unterwürfig, charakterlos,
nach der anderen in raffinierter Tyrannei — durchgeführt hatte, mit der
Parole: im System Metternich allein beruhe die Rettung Europas. Der Um-
fall half nicht mehr, er kam zu spät:
In denjenigen deutschen Staaten, die bereits Verfassungen hatten: Baden,
Württemberg, Hessen-Nassau, Bayern, Sachsen, waren die liberalen und die
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