Full text: Von Potsdam nach Doorn.

revolutionären Elemente unmittelbar mit dem Umsturz in Frankreich — 
jedenfalls bei schon länger bestehendem Kontakt — früher aufgestanden — 
ja schon bevor der Bundestag seine Mahnungen und Versprechungen ver- 
öffentlicht gehabt hatte. Diese Regierungen hatten sofort alle Forderungen 
der Bevölkerungen bewilligt. Schon am 29. Februar wurde in Baden die 
‚„Volksbewaffnung‘“ eingeführt, auch Pressefreiheit, ebenso wie in Württem- 
berg; Nassau bewilligte gleichfalls alles; in diesen Staaten wurden zugleich 
solche Minister verabschiedet, die den Bevölkerungen der Städte nicht ge- 
fielen. Im Rheinland versammelte man sich zu Beratungen, Resolutionen, 
Petitionen und Forderungen, mit denen man nach Berlin fahren wollte. 
In Berlin geschah vorläufig nichts. Am 6. März hielt der König vor dem 
eben verabschiedeten Landtage eine Rede: Die Vorsehung habe Ereignisse 
eintreten lassen, die die gesellschaftliche Ordnung zu erschüttern drohten. 
Unbedingt nötig sei, die Ordnung zu erhalten, den Bundestag müsse man 
stärken, um den König müsse man sich scharen. Sollten die Franzosen an- 
greifen, dann würde man sich verteidigen wie 1813. Die Mitglieder des Land- 
tags lud der König zu sich ein, und ein Fürst Solms hatte die Kühnheit, in 
seinem Trinkspruch auf den König zu sagen: Er beglückwünsche Preußen, 
einen König zu haben, dessen Worte Taten seien. Daß das Gegenteil der Fall 
war, war dem Fürsten Solms bekannt, wie wohl allen Anwesenden. 
Mit jenem Tage, dem 6. März, begann die planmäßige Entwicklung mit 
der Bearbeitung des Königs, zunächst durch die Bürgerschaft mit Eingaben 
an den König, Versammlungen in der Stadt, Deputationen und Straßen- 
kundgebungen. Gleich bei der Beratung der ersten Adresse trat ‚ein mo- 
saischer junger Gelehrter, Herr Löwenberg‘‘, auf. Die Adresse war re- 
spektvoll gehalten, sprach auch von freiem Mannesstolz, von der Bahn des 
Fortschritts, von freien Institutionen, nationaler Größe und von huldvollem 
Gehör. Man verlangte: 
„Unbedingte Pressefreiheit, vollständige Redefreiheit, sofortige Amnestie 
gegen alle wegen politischer und Pressevergehen Verurteilten und Ver- 
folgten ; freies Versammlungs- und Vereinigungsrecht; gleiche politische Be- 
rechtigung aller, ohne Rücksicht auf religiöses Bekenntnis und Besitz, Ge- 
schworenengerichte und Unabhängigkeit des Richterstandes; Verminderung 
des stehenden Heeres und Volksbewaffnung mit freier Wahl der Führer, 
allgemeine deutsche Volksvertretung, schleunige Einberufung des Landtags.‘ 
Der jüdische Einschlag ist schon deutlich erkennbar, besonders in der 
ersten und zweiten und in der fünften Forderung. Bei aller Devotion folgte 
im Schlußsatz der Adresse die Drohung: Gäbe der König in den einzelnen 
Punkten der Adresse nicht Folge, so werde es ‚schlimm stehen mit der Ein- 
tracht zwischen König und Volk“. 
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