Full text: Von Potsdam nach Doorn.

alles auf dem Schloßplatz zusammen. Der König erschien auf dem Balkon 
und ließ durch einen Sprecher verkünden, er wolle gestatten: die Presse- 
freiheit, Landtagsberufung, Konstitution auf freisinnigster Grundlage für 
alle deutschen Länder, er wolle eine deutsche Nationalflagge, alle Zoll- 
schlagbäume sollten fallen, Preußen werde sich an die Spitze der Bewegung 
stellen. 
In diesem Augenblick, so wurde berichtet, änderte sich immer mehr das 
Gesicht der Versammlung auf dem Schloßplatz und in den Zufahrtsstraßen. 
Immer neue Massen drängten nach, deren Physiognomie nicht eben eine 
solche friedlicher Bürger war. An Stelle des Jubels traten immer mehr Rufe 
mit neuen Forderungen, die man in die Menge hineinschrie: 
„Das Gewirre, die Exklamationen vermehrten sich, es war ein chaotisches 
Durcheinander. Mit wachsender Macht drängten die Massen nach dem 
Schloß und brüllten: ‚Militär zurück.‘ Die Stimmung erschien völlig ver- 
ändert. Einige kleine Militärabteilungen drängten die Massen zurück, um 
das Schloß frei zu halten.‘ In diesem Augenblick fielen die berühmten zwei 
Schüsse, die nicht von den Militärabteilungen abgefeuert wurden, auch nicht 
auf die Menge gerichtet waren. Sie wurden das Signal zu einem ungeheuren 
Rachegeschrei: Verrat und Rache wurde gerufen, nun sei alles hin. Damit 
war denn die eigentliche ‚Revolution‘ eingeleitet. 
Über die zwei Schüsse ist viel geschrieben worden, ohne daß eine authen- 
tische Klärung erfolgt wäre. Am meisten Wahrscheinlichkeit hatte eine 
wenige Tage nachher gegebene Schilderung der Londoner ‚Times‘ aus der 
Feder eines Augenzeugen: 
„Am Morgen des 18. März sind in mehreren Berliner Stadtteilen Gewalt- 
taten gegen Soldaten verübt worden, zwei Schildwachen wurden tot- 
geschlagen. Zur selben Zeit fand eine Sitzung des Komitees der Zeitungs- 
halle statt, eines literatischen Klubs, der seit einiger Zeit revolutionäre Ten- 
denzen verfolgt und über die Aufstandsfrage debattiert. Eine ähnliche ge- 
heime Gesellschaft oder Klub existiert in Paris, dessen Aufgabe ist, überall 
das Volk in Kollision mit den Truppen zu bringen. Es war ein Mitglied dieses 
Klubs, das den ersten Schuß in Paris tat. In Berlin seien die beiden Schüsse 
das Signal gewesen, als die Volkshaufen zum Schloß vorgedrungen seien. 
Die Anstifter der Revolution benutzten die Verwirrung des Augenblicks und 
entflammten die Menge durch das Geschrei: ‚Zu den Waffen!‘ genau ebenso, 
wieesin Paris vor dem Außenministerium geschah. Wir wissen aus ausdrück- 
licher Versicherung, daß die ersten entscheidenden Schüsse von seiten der 
Menge abgefeuert wurden, aus einem durch Barrikaden gedeckten Hause.“ 
Ähnlich spricht ein deutscher Bericht von einem „unter sich einver- 
standenen Kern, der — zu einer Revolution entschlossen — aus allen 
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