Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Deputationen darüber, wer nun eigentlich Schuld habe. Die Deputationen 
schoben natürlich alle Schuld auf das Militär. Der König zeigte übrigens ein 
durchaus richtiges Urteil: Alles sei eine abgekartete Sache gewesen, auch die 
zwei Schüsse. Eine solche Szene der Verwirrung und Verbitterung, wie die 
vor dem Schloß, habe nur mit Absicht herbeigeführt werden können. 
Die Deputationen aber verlangten immer wieder Entfernung des Militärs. 
Der König sagte: ‚Wenn die Bürger die Barrikaden niederreißen und ver- 
lassen, soll sich das Militär in die Kasernen zurückziehen.‘ Auf die Drohung, 
nicht allein seine Krone, sondern auch die Dynastie stehe auf dem Spiel, 
erwiderte Friedrich Wilhelm, das ei ihm vollkommen klar, er sei auf alles 
vorbereitet. Alle seine Antworten waren, wie gesagt, würdig, und schon 
schrieb das Mannheimer Kommunistenblatt: „Die ungeheure Übermacht 
der Truppen hat gesiegt. Tausende unserer deutschen Brüder haben umsonst 
für die Freiheit geblutet, wehe uns, wenn uns Deutschland nicht rettet.“ 
Aber der König hielt, trotzdem Macht und Sieg auf seiner Seite standen, 
nicht stand. Am 19. März mußten die Truppen mit ihren Führern voll Wut 
und Verzweiflung aus Berlin abziehen, eine Bürgerwehr wurde bewaffnet 
und zog ins Schloß. Die Barrikaden blieben. Alles das geschah ohne aus- 
drücklichen Befehl des Königs. 
Nun erließ Friedrich Wilhelm die Kundgebung: 
„An meine lieben Berliner! 
Durch Mein Einberufungs-Patent vom heutigen Tage habt Ihr das Pfand 
der treuen Gesinnung Eures Königs zu Euch und zum gesamten teutschen 
Vaterlande empfangen. Noch war der Jubel, mit dem unzählige treue Herzen 
Mich begrüßt hatten, nicht verhallt, so mischte ein Haufen Ruhestörer auf- 
rührerische und freche Forderungen ein und vergrößerte sich in dem Maße, 
als die Wohlgesinnten sich entfernten. 
Da ihr ungestümes Vordringen bis ins Portal des Schlosses mit Recht arge 
Absichten befürchten ließ und Beleidigungen wider Meine tapferen und 
treuen Soldaten ausgestoßen wurden, so mußte der Platz durch Cavallerie 
im Schritt und mit eingesteckter Waffe gesäubert werden, und zwei Gewehre 
der Infanterie entluden sich von selbst, Gottlob, ohne irgend jemand zu 
treffen. Eine Rotte von Bösewichtern, meist aus Fremden bestehend, die 
sich seit einer Woche — obgleich aufgesucht — doch zu verbergen gewußt 
hatten, haben sich diesen Umstand im Sinne ihrer argen Pläne durch augen- 
scheinlich Lüge verdreht und die erhitzten Gemüther von vielen Meiner 
treuen und lieben Berliner mit Rachegedanken um vermeintlich vergossenes 
Blut! erfüllt und sind so die gräulichen Urheber von Blutvergießen geworden. 
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