an einen verabschiedeten Hauptmann, dessen tatsächliche Stellung dem
Titel nicht entspricht. Das Präsidium des neuen Bundes der neuen Staaten
zu übernehmen war König Wilhelm ohne weiteres bereit, Bismarck wandte
ein: er, König Wilhelm, wolle doch nicht immer ein Neutrum bleiben, näm-
lich: „Das Präsidium“. In dem Ausdruck Präsidium liegt eine Abstraktion,
im Worte Kaiser eine große Schwungkraft. Am 18. Januar sollten Kaiser
und Kaiserreich in Versailles ausgerufen werden. Am 17. Januar noch
schrieb König Wilhelm an den Prinzen Karl von Preußen über den Kaiser-
titel:
„Ich halte die preußische Familie für geschichtlich so hochstehend und
durch die Taten, die Preußen namentlich vor 56 Jahren und seit 1866 voll-
brachte, so glorreich dastehend, daß ich todunglücklich bin, den preußi-
schen Königstitel in zweite Linie treten zu sehen!“
Der seelische Konflikt des alten, würdigen, phrasenlosen und unbedingt
ehrlichen Königs ist nicht allein menschlich interessant, sondern ist und
bleibt für die dann kommenden Jahrzehnte, in manchmal verschieden-
artigen Formen, auch ein politisches Element von nicht geringer Bedeu-
tung. Deswegen auch behandeln wir die politischen und menschlichen Vor-
gänge in der Geburtsstunde des Zweiten Reiches ausführlicher. —
Ein weiteres Moment war in die Regelung der Kaiserfrage hineingetreten:
nicht nur an den Fürstenhöfen, sondern auch in der Bevölkerung fanden eif-
rige Erörterungen darüber statt, wie der Titel zu formulieren sei. Aufsehen
erregte und Beifall fand die Forderung des berühmten Professors Du Bois-
Reymond: ‚Herzog der Deutschen“. Dies entsprach der nationalen Ein-
heitsbewegung, die seit den Befreiungskriegen besonders die Jugend erfüllte.
Der ‚Herzog der Deutschen‘ aber war ein romantisches Wunschbild, gegen-
über der rauhen Wirklichkeit des Vorhandenseins von zwei Dutzend selb-
ständiger, souveräner deutscher Staaten und Fürsten. Diese hätten ihreTitel
und Würden ablegen müssen, um sich dem ‚‚Herzog der Deutschen‘ zu
unterstellen, und dieser selbst, der König von Preußen, wäre der letzte ge-
wesen, schon die angeführten Äußerungen König Wilhelms beweisen es, sein
preußisches Eigentum aufzugeben.
Bereit war König Wilhelm aber zur Annahme der Würde eines ‚Kaisers
von Deutschland‘ oder ‚Königs von Deutschland‘, auch ‚König der Deut-
schen‘ findet sich unter den Anregungen und Vorschlägen. Wie er schon
durch seinen Vergleich mit dem ‚Charakter-Major‘ zum Ausdruck brachte,
hatte König Wilhelm einen gesunden edlen Widerwillen gegen alle leeren
Titel. Sollte er den Titel annehmen, so mußte seiner Meinung nach auch eine
entsprechende Höhe der Stellung, also auch der Macht, dahinter sein. Mit-
hin: wenn schon — denn schon! Aber auch hier stand die Menge der souve-
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