niedergeschlagen. Ich glaube‘‘ — so lautete Bismarcks Urteil weiter —, ‚daß
mit fester und kluger Ausnutzung des Sieges, des einzigen, der damals von
einer Regierung in Europa gegen Aufstände erfochten war, die deutsche Ein-
heit in strengerer Form zu erreichen war, als zur Zeit meiner Beteiligung an
der Regierung schließlich geschehen ist.“
Bismarck läßt allerdings dahingestellt sein, ob das nützlicher und dauer-
hafter gewesen sein würde.
Eingangs haben wir die Kämpfe und Schwierigkeiten gesehen, die Bis-
marck zu überwinden hatte, bis er in Versailles die Fürsten unter einem Hut
hatte. Wir haben auch die große taktvolle Vorsicht festgestellt, die er an-
wandte, um die neue deutsche Ordnung so zu gestalten, daß alle Teile damit
zufrieden wären. Gerade im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit sagte er: Er
habe zu Versailles vielleicht ‚‚die deutsche Einheit in strengerer Form er-
reichen‘ können, aber das eben wollte er nicht, damit die Beteiligten sich in
der neuen Ordnung frei und wohl fühlten.
Man kann wohl kaum annehmen, daß eine 1848 auf Grund der allgemeinen
Angst und Niedergeschlagenheit der Fürsten ‚in strengerer Form‘ herbei-
geführte deutsche Einheit von Dauer gewesen sein würde. Die damalige
deprimierende Wirkung und Nachwirkung auf die Fürsten würde bald ver-
gangen und wieder dem früheren partikularistischen Selbstgefühl gewichen
sein und nach größerer Selbständigkeit begehrt haben. Und dazu noch als
Oberhaupt ein Mann von der Schwäche Friedrich Wilhelms, einer Schwäche,
deren er sich selbst bewußt war!
Nachher, in seinem berühmten Gespräch mit Bismarck, sagte der König
zu diesem: ‚Was werfen Sie mir denn eigentlich vor ?‘‘ — ‚Die Räumung
Berlins.“ — ‚Die habe ich nicht gewollt‘, sagte der König. Und die Königin
setzte hinzu: ‚Daran ist der König ganz unschuldig, er hatte seit drei Tagen
nicht geschlafen.“ — „Ein König muß schlafen können‘, versetzte ich. Un-
beirrt durch diese schroffe Äußerung sagte der König: „Man ist immer
klüger, wenn man von dem Rathause kommt; was wäre denn damit ge-
wonnen, daß ich zugäbe, wie ein Esel gehandelt zu haben ? Vorwürfe sind
nicht das Mittel, einen umgestürztenThron wieder aufzurichten. Dazu bedarf
ich des Beistandes und tätiger Hingebung, nicht der Kritik.“
Bismarck schreibt: Die Güte, mit der dies gesagt wurde, habe ihn, Bis-
marck, entwaffnet. Man kann das voll verstehen, wie ja überhaupt Friedrich
Wilhelm ein edler, offener, uneigennütziger König und Mensch gewesen ist.
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