Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Paris, in Berlin zwar nicht öffentlich führte, aber anonym arbeitete, stets 
mit dem Ziel, die Dinge zum gewaltsamen Umsturz zu treiben und das 
preußische Königtum zu beseitigen. Die roten Fahnen, die jüdischen — 
russisch, polnisch oder englisch angestrichenen — Emissäre beweisen es, 
ebenso wie jene plötzlich während der Märztage auftauchenden ‚‚litera- 
rischen Klubs“. 
Die bürgerlichen Demokraten zu Berlin aber wollten nicht den Umsturz. 
Ihre Eingaben und Deputationen und ihr ganzes Verhalten bewiesen es. Daß 
ihre Sprecher vielfach Juden waren, ändert hieran nichts; denn Juden gab 
es eben in allen Richtungen, nicht nur bei den Kommunisten und den radi- 
kalen Demokraten, sondern auch bei den friedsam bürgerlichen Liberalen 
und den Konservativen. Über die Methoden im einzelnen sind sich die Juden 
nicht selten uneinig, auch in Gegensatz zueinander, gewesen, aber das ge- 
meinsame End- und Hauptziel und die zu diesem führende Generalrichtung 
hat sie niemals die gegenseitige Fühlung verlieren lassen. 
Das Königtum hat also, besonders in Preußen, gerade den Gedanken nicht 
zur Verwirklichung gebracht, der es rechtfertigen kann: stetige kräftige 
Führung. Daß der gute Wille dazu vorhanden war, soll nicht bestritten 
werden. 
Einige Jahre vor 1848 hatte Emanuel Geibel seinen berühmten Vers ge- 
schrieben: 
„Was frommt uns aller Witz der Zeitungskenner, 
Was aller Dichter wohlgereimt’ Geplänkel. 
Vom Sand der Nordsee his zum wald’gen Brenner! 
Ein Mann ist not, ein Nibelungenenkel, 
Daß er die Zeit, den toll gewordenen Renner, 
Mit eherner Faust beherrscht und ehernem Schenkel. 
Von keinem Monarchen kann man verlangen, daß er ein solcher Mann sei; 
wohl aber, daß er sich eine Umgebung wählt, von Menschen, die das besitzen, 
was ihm fehlt. Auch diese brauchen keine großen Männer zu sein (sind sie 
es: um so besser!); es genügt ein hoher Durchschnitt, wie man ihn in Eng- 
land seit Generationen fand. 
Es ist kein überhebliches, nachträgliches Urteil, festzustellen, daß die Re- 
gierungen in Preußen die Entwicklungsnotwendigkeiten nicht begriffen, 
ebensowenig, wie das berechtigte Gesamtinteresse der Bevölkerung im 
ganzen, und daß hieraus ein Vorwurf, und mehr als ein Vorwurf, erhoben 
weıden muß. Den Einwand, damals seien eben die Verhältnisse anders und 
die Schichten und Klassen in der Bevölkerung einander noch zu fremd ge- 
wesen, kann man nicht gelten lassen. Waren doch schon in der Zeit der 
Napoleonischen Fremdherrschaft der Reichsfreiherr vom Stein und der Sohn 
eines Leibeigenen, Ernst Moritz Arndt, der Bauernsohn Scharnhorst und 
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