Object: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
X. Buch. Die Chemie. 169 
lichs Ide#en wurde in dem salzsauren Diamidodiorxparsenobenzol eine Verbindung auf- 
gefunden, in der Ehrlich und der Japaner Hata ein sehr wichtiges Medikament gegen 
Epphilis erkannten, das unter dem Namen Salvarsan Ehrlich- Hata 606 weltbekannt 
geworden ist. 
Neue Umwandlungsereaktionen. 
  
Schon öfter war von der außerordentlich 
großen Zahl der künstlich dargestellten Koh- 
lenstoffverbindungen die Rede, der gegenüber die Zahl der in der Natur vorkommenden 
organischen Substanzen gering ist. Wie rasch sich die Kohlenstoffverbindungen vermehren, 
mögen einige statistische Mitteilungen veranschaulichen; sie betrugen 1883 etwa 20 300, 
1899 schon 74200 und sind 1910 auf 144000 angewachsen. Heute werden sie über 160 000 
betragen und man kann berechnen, daß seit 1888 etwa 133 000 organische Substanzen 
künstlich dargestellt worden sind. Eine jährliche Zunahme ist bis jetzt stets in wachsendem 
Maße eingetreten. Man wird kaum fehlgreifen mit der Annahme, daß im Durchschnitt 
zurzeit täglich etwa 20 neue organische Substanzen aufgefunden werden, ein Ende 
ist nicht abzusehen und dazu kommen die Fortschritte der anorganischen Chemie! Oie 
Chemie verdankt diese Fortschritte teils der weiteren Anwendung und Entwicklung älterer 
Reaktionen, teils der Auffindung neuer Arbeitsmethoden, die es ermöglichen, früher 
nicht oder nur schwierig zugängliche Substanzen zu gewinnen. Wenigstens einige dieser 
neuen Reaktionen sollen in nachstehendem behandelt werden. 
Oie Entdeckung der katalytischen Ubertragung des Wasserstoffs mittels fein ver- 
teilten ANickels durch P. Sabatier und J. B. Senderens in Toulouse 1897 gestattet es, 
die früher nur außerordentlich schwer reduzierbaren aromatischen Substanzen in glatter 
Weise in hpdroaromatische Verbindungen umzuwandeln, die wegen ihrer nahen Bezie- 
hungen zu den Terpenen und Kampherarten besonders bemerkenswert sind und die 
Grundlage für zahlreiche auf diesem Gebiete ausgeführte Synthesen bilden. Den Be- 
mühungen von C. Paal und C. Amberger, N. Willstätter, A. Skita, dem Russen 
G. Fokin gelang es in den letzten Jahren, diese nur bei höheren Temperaturen verlau- 
fenden Reaktionen durch Ersatz des Nickels durch fein zerteiltes Matin oder Palladium, 
letzteres auch in kolloidalem Zustand verwendet, zu einer noch bei tiefen Temperaturen 
verlaufenden Reaktion umzugestalten. Die Technik hat sich diese Methode ebenfalls 
zunutze gemacht, um die wohlfeilen flüssigen Fette, das Leinöl, den Waltran und andere 
durch Anlagerung von Wasserstoff in wertvollere feste Fette umzuwandeln. Erwähnt 
seien auch die von J. Tafel auf elektrolptischem Wege von 1898 an bewirkten Reduktionen, 
die besonders bei der Reduktion von Alkaloiben und Substanzen der Harnsäuregruppe 
vortreffliche Dienste leisteten. 
Oie den Reduktionsmethoden gewissermaßen entgegengesetzten Reaktionen der Oxr- 
dation haben durch die von C. Harries seit 1903 untersuchte Wirkung des Ozons auf Sub- 
stanzen mit doppelten Kohlenstoffbindungen eine bedeutsame Bereicherung erfahren. 
Es bilden sich unter Anlagerung von Ozon an die doppelt gebundenen Kohlenstoffatome 
Ozonide, die sich an der Stelle der Sauerstoffanhäufung leicht spalten unter Bildung 
sonst schwer zugänglicher Aldehpde und Ketone. Aus dem Ozonid des Parakautschuks 
entsteht so der Aldehpd der Lävulinsäure, eine Reaktion, die für die Konstitutionsbestim- 
  
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