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(Nr. 3481.) Gesetz über ben Versicherungsvertrag. Vom 30. Mai 1908.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König
von Preußen etc.
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats
und des Reichstags, was folgt:
Erster Abschnitt.
Vorschriften für sämtliche Versicherungszweige.
Erster Titel.
Allgemeine Vorschriften.
§ 1.
Bei der Schadensversicherung ist der Versicherer verpflichtet, nach dem
Eintritte des Versicherungsfalls dem Versicherungsnehmer den dadurch verursachten
Vermögensschaden nach Maßgabe des Vertrags zu ersetzen. Bei der Lebens-
versicherung und der Unfallversicherung sowie bei anderen Arten der Personen-
versicherung ist der Versicherer verpflichtet, nach dem Eintritte des Versicherungs-
falls den vereinbarten Betrag an Kapital oder Rente zu zahlen oder die sonst
vereinbarte Leistung zu bewirken.
Der Versicherungsnehmer hat die vereinbarte Prämie zu entrichten. Als
Prämien im Sinne dieses Gesetzes gelten auch die bei Versicherungsunternehmungen
auf Gegenseitigkeit zu entrichtenden Beiträge.
§ 2.
Die Versicherung kann in der Weise genommen werden, daß sie in einem
vor der Schließung des Vertrags liegenden Zeitpunkte beginnt.
Weiß in diesem Falle der Versicherer bei der Schließung des Vertrags,
daß die Möglichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls schon ausgeschlossen ist,
so steht ihm ein Anspruch auf die Prämie nicht zu. Weiß der Versicherungs-
nehmer bei der Schließung des Vertrags, daß der Versicherungsfall schon ein-
getreten ist, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei; dem
Versicherer gebührt, sofern er nicht bei der Schließung von dem Eintritte des
Versicherungsfalls Kenntnis hatte, die Prämie bis zum Schlusse der Ver-
sicherungsperiode, in welcher er diese Kenntnis erlangt.
Wird der Vertrag durch einen Bevollmächtigten oder einen Vertreter ohne
Vertretungsmacht geschlossen, so kommt in den Fällen des Abs. 2 nicht nur die
Kenntnis des Vertreters, sondern auch die des Vertretenen in Betracht.
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