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Nachrichten aus den deulschen Schuhgebieten.
(Abdruck der Nachrichten vollständig oder teilweise nur mit Quellenangabe gestattet.)
Deulsch · Ostafrika.
Sur neuen Sollverordnung für das deutsch-
ostafrikanische Schutzgebiet.
Die als Beilage zu der vorliegenden Nummer
des Deutschen Kolonialblatts publizierte neue Zoll-
verordnung für Deutsch-Ostafrika ist zunächst hervor-
gegangen aus dem Bestreben, die im Laufe der Zeit
durch zahlreiche Abänderungen und Ergänzungen un-
übersichtlich gewordenen zollgesetzlichen Bestimmungen
des ostafrikanischen Schutzgebiets in einer einheitlichen
Verordnung zusammenzufassen; ferner find im Interesse
der wirtschaftlichen Entwicklung einige materielle
Anderungen an den bestehenden Zollverhältnissen
notwendig geworden.
Zur Zeit sind im ostafrikanischen Schutzgebiete
zwei verschiedene Zollordnungen und Tarife in Kraft,
nämlich für die Küstengrenze die Zollordnung vom
1. Januar 1899, für die Binnengrenze die Zoll-
ordnung vom 5. März 1900. Der neue Entwurf
enthält eine einheitliche Regelung der Zollverhältnisse
(einschließlich des Zolltarifs) für beide Grenzen des
Schutzgebiets.
Zur Aufrechterhaltung der verschiedenartigen
Behandlung von Küsten= und Binnengrenze lag ein
Grund nicht mehr vor, nachdem das Abkommen
zwischen England, Italien und dem Deutschen Reich,
betreffend den Tarif der östlichen Zone des konven-
tionellen Kongobeckens, vom 22. Dezember 1891, von
England im Jahre 1902 gekündigt worden war.
Da in den Bereich dieses Abkommens, das Einfuhr-
zölle bis zum Höchstbetrag von 5 Prozent vom Wert
gestattete, nur das Binnenland von Deutsch-Ostafrika,
nicht auch der ehemals unter der Sorveränität des
Sultans von Sansibar stehende Küstenstreifen ein-
bezogen worden war, da ferner in dem Küstenstreifen
die finanziellen Bedürfnisse des Schutzgebiets höhere
als 5 prozentige Wertzölle notwendig erscheinen ließen,
hatte das erwähnte Abkommen den nunmehr in
Wegfall gekommenen Grund zu der Verschiedenheit
der Zölle an Küsten= und Bimnengrenze gegeben.
Die in der neuen Zollverordnung durchgeführte
einheitliche Behandlung von Küsten- und Binnengrenze
ist ferner durch den Ausbau der englischen Uganda-
bahn und durch die damit in Verbindung stehende
Entwicklung des Handels über die nördliche Binnen-
grenze von Deutsch-Ostafrika wünschenswert gemacht
worden; der bisherige Zustand begünstigt, namentlich
durch die niedrigeren Ausfuhrzölle an der Binnen-
grenze, die Ablenkung des Handels nach der Uganda-
bahn zum Schaden der deutschen Küstenplätze.
Die zweite wesentliche Anderung, welche die neue
Zollverordnung gegenüber dem bieherigen Zustande
enthält, besteht darin, daß an Stelle der bisher wenig-
stens an der Küste bestehenden allgemeinen Zollpflicht
der Ausfuhrgegenstände nur noch einzelne besonders
aufgeführte Ausfuhrwaren mit einem Zoll belastet
bleiben sollen. Namentlich ist im Interesse der
Hebung der Landwirtschaft der Eingeborenen der
Ausfuhrzgoll auf die Ackerbauprodukte der Eingeborenen,
auf Mtama, Erdnüsse, Sesam, Chiroko usw., gänzlich
beseitigt worden; aus ähnlichen Erwägungen wirt-
schaftlicher und kultureller Art sind die Ausfuhrzölle
auf Vieh, namentlich auf männliches Vieh, nicht un-
erheblich herabgesetzt worden.
Um einen finanziellen Ausgleich für diefe im
wirtschaftlichen Interesse des Schutzgebiets gebotenen
Beseitigungen und Ermäßigungen von Ausfuhrzöllen
zu schaffen, wurden die Einfuhrzölle einer Revision
unterzogen. Mehrerträgnisse sind insbesondere zu
erwarten aus den neuen Zöllen für Spirituosen
und die anderen alkoholischen Getränke, für Tabak-
fabrikate, für geschälten Reis und für Salz. Der
Salzzoll soll eine Ergänzung finden durch eine
innere Verbrauchsabgabe auf Salz, die bei dem
importierten Salz gleichzeitig mit dem Einfuhrzoll
bei dem im Schutzgebiet selbst produzierten Salze
dort erhoben werden soll, wo das Salz in ordnungs-
mäßigem Betrieb gewonnen wird. Die Entscheidung
darüber, wo ein „ordnungsmäßiger Betrieb“ vor-
liegt, soll dem Gouverneur vorbehalten bleiben.
Im Gesamtergebnis wird von der Neuregelung des
Zolltarifs trotz der bei den Ausfuhrzöllen zu er-
wartenden Ausfälle ein gewisser, wenn auch nicht
erheblicher Mehrertrag erwartet.
Gegenüber der Zusammenfassung der ostafrika-
nischen Kolonien zu einem einheitlichen Zollgebiet
sowie der Anpassung der Ausfuhr= und Einfuhrzölle
an die wirtschaftlichen und finanziellen Bedürfnisse
des Schutzgebiets sind die übrigen in der neuen
Zollverordnung enthaltenen Anderungen von geringerer
Bedeutung. Erwähnung verdienen immerhin noch
die folgenden Neuerungen:
1. Die Verschmelzung der bisher neben den
Zöllen bestehenden „Umschlagsabgaben“ mit den
Zöllen selbst zu einem einheitlichen Tarifsatz; dabei
wurden die sich ergebenden Zollsätze auf volle Pro-
zente, je nach Lage des Falls nach oben oder unten,
abgerundet.
2. Die Befreiung industrieller Maschinen nebst
Ersatzteilen vom Einfuhrzoll, durch welche diese Ma-
schinen im Interesse der Enwicklung gewerblicher
Unternehmungen im Schutzgebiet den landwirttschaft-
lichen und Transportmaschinen gleichgestellt werden.
3. Die ausdrückliche Einführung der Zollfreiheit
für die Durchfuhr durch das Schutzgebiet.
Die Gründe, welche zum Erlaß der neuen Zoll-
verordnung durch den Reichskanzler, statt wie bisher
durch den Gouverneur, geführt haben, sind dieselben,
welche bereits im Deutschen Kolomalblatt vom 1. Juli