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man einen vom Abt Lentz ausgehenden Antrag, zufolge dessen zur Sicherstellung
wenigstens der Bekenntnisfreiheit der Juden im 8 29 der Zwischensatz: „auch
das öffentliche Bekenntnis desselben in einer der im Staate jetzt gestatteten
kirchlichen Gesellschaften“ eingeschaltet werden sollte — ein Beschluß, der auch
die Zustimmung der Regierung fand. Ubrigens war die verfassungsmäßig
dem Einzelnen gewährleistete Gewissens= und Glaubensfreiheit zunächst insofern
keine „vollkommene“, als zwar der Übertritt vom Judentum zu einer der drei
christlichen Religionsparteien, sowie der Übergang aus der einen dieser Parteien
in die andere freistand, dagegen der Übertritt vom Christentum zum Judentum,
sowie der Austritt aus einer der christlichen Religionsgemeinschaften ohne gleich-
zeitigen Übertritt als rechtlich statthaft nicht angesehen wurde. Auch blieb die
Verordnung vom 3. Mai 1815, laut deren jedes Kind christlicher Eltern binnen
einer bestimmten Frist zur Taufe gebracht werden mußte, in gerichtlich aner-
kannter Wirksamkeit, weil ein direkter Zwang zur Erfüllung dieser Verpflich-
tung nicht vorgesehen war und in der Androhung einer Geldstrafe für den
Ungehorsamsfall eine mittelbare Nötigung zur Innehaltung der gesetzlichen
Vorschrift und daher ein Widerspruch mit der Bestimmung des § 29 der
N. L.-O. nicht erblickt wurde. An diesen Beziehungen hat auch die Gesetz-
gebung von 184 8 nichts geändert, insbesondere ist noch ungeachtet derselben
durch ein Reskript des Staatsministeriums vom 6. September 1852 der Über-
tritt von Christen zur jüdischen Gemeinde als unzulässig verboten. Wiederholte
Anträge aus der Landesversammlung, die durch die allmähliche Zunahme der
Sektenbildungen veranlaßt waren, führten dann zum Erlasse des Gesetzes, die
Verhiltnisse der Dissidenten betreffend, vom 25. März 1873 Nr. 62, welches
im § 16 allgemein den Übertritt aus der jüdischen, wie aus einer cistlichen
Religionsgenossenschaft nach Vollendung des 14. Lebensjahres, auch den Aus-
tritt ohne gleichzeitigen Übertritt nach erlangter Volljährigkeit freistellt, und
des Gesetzes, die Verabsäumung der sechswöchigen Tauffrist betreffend, vom
gleichen Tage Nr. 63, durch welches die Strafbestimmung der Verordnung
vom 3. Mai 1815 beseitigt wurde.
:) Die Rechtsgleichheit der anerkannten christlichen Konfessionen ist
ausgesprochen im § 211 der N. L.-O. Hinsichtlich der Juden hat die Bundes-
versammlung die im Art. 16 der Bundesakte gegebene Zusage, in Beratung
zu ziehen, wie auf eine möglichst übereinstimmende Weise die „bürgerliche Ver-
besserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschland“ zu bewirken
sei und wie ihnen insbesondere der Genuß der bürgerlichen Rechte gegen die
übernahme aller Bürgerpflichten in den Bundesstaaten verschafft und gesichert
werden könne, unerfüllt gelassen. Auch im Herzogtum hatte die vorhin erwähnte
Anregung der Landstände weiter keine Folge, als daß im Art. 19 des Landtags-
abschiedes vom 12. Oktober 1832 die Bestimmung aufgenommen wurde, daß
den jüdischen Glaubensgenossen diejenigen bürgerlichen Rechte, in deren Besitz
sie sich befänden, gesichert bleiben und daß demnächst darüber weiter beraten
werden solle, inwiefern die hinsichtlich ihrer noch bestehenden gesetzlichen Beschräu-
kungen aufgehoben oder gemindert werden könnten. Erst die Stürme des Jahres