Full text: Die Verfassungsgesetze des Herzogtums Braunschweig.

— 10 — 
folge stellte, bald weitergehende Begünstigungen und nicht minder wußten die 
geistlichen Herren unter Berufung auf die dem Kirchengut zukommenden Im- 
munitäten sich manche Erleichterung zuzuwenden. Bei häufiger Wiederkehr der 
Anforderungen aus gleichartigem Anlaß verwischte sich dann mehr und mehr 
der eigentliche Ursprung der Leistung; die Beden nahmen in manchen Fällen 
den Charakter einer herkömmlichen, gemeinen Last an und wurden zu einer 
ordentlichen Abgabe (Grundbede — Landbede — Landschatzung), bei der 
der Beweggrund der Beihilfe nicht mehr auf das „mitleidige Gemüthe“ zurück- 
geführt, sondern, wie bei den Anforderungen zu Zwecken des Reichsdienstes (dem 
„gemeinen Pfennig" und den Römermonaten) oder für Einrichtungen des Reiches 
(den „Kammerzielern“), in einer bestehenden Pflicht erblickt wird. Daneben 
traten endlich auf Grund eines besonderen Anlasses die sogenannten notwendigen 
Steuern im Fall einer echten Landesnot (namentlich: Auslösung des Landes- 
fürsten aus der Gefangenschaft) und zum Zweck der hochzeitlichen Ausstattung 
der fürstlichen Töchter (die sogenannte Fräulein= oder Prinzessinsteuer). Über 
die angeforderten Leistungen entschied aber nicht die Stimmenzahl, nicht das 
Übergewicht mehrerer Ständevertretungen gegenüber einer einzelnen, vielmehr 
bewilligte — mochte die Unterhandlung mit der „gemeinen Landschaft" 1) oder 
noch mit einzelnen Ständeklassen gepflogen werden — ein jeder Stand für sich 
und seine Untergebenen und brachte dabei seine Sonderrechte und seinen Eigen- 
vorteil nach Kräften zur Geltung. 
Wenn die Landstände nach dem Urteil eines neueren Geschichtsforschers?) 
in der Verwirrung des 14. und 15. Jahrhunderts eigentlich die einzige zu- 
sammenhaltende Macht im Staate und gleichsam den Kristallisationspunkt dar- 
stellen, um den sich die zentrifngalen Elemente der Gesellschaft sammeln konnten, 
so bereitet sich mit dem Ausgang des Mittelalters auf den Gebieten des öffent- 
lichen Lebens jener bedeutungovolle Umschwung vor, der den Sieg des Landes- 
fürstentums über die widerstrebenden Sondergewalten bezeichnet und eine straffere 
Ordnung der staatlichen Verhältnisse angebahnt hat. Der Kampf zwischen 
einheimischem und fremdem Recht hatte sich zugunsten des letzteren entschieden, 
und die gelehrten Juristen, die in den Rat des Fürsten eintraten und mit der 
Umgestaltung der Gerichtsverfassung zu einem einflußreichen Beamtenstande 
wurden, begründeten aus den Konstitutionen des corpus juris die Doktrin von 
der Allgewalt des Landesherrn, während durch den allgemeinen Landfrieden den 
Ständen das Recht des bewaffneten Widerstandes und somit ein wirksamer 
Schutz gegenüber einer praktischen Verwertung jener neuen Anschauung entzogen 
war. Mit dem Verfall der Hansa nahm auch der Niedergang der Städte 
seinen Anfang, durch die Einwirkungen der Reformation sahen sich die Prälaten 
in ihrem Besitzstande bedroht, die Nitterschaft endlich verlor an Bedeutung, je 
  
1) Eine Bezeichnung, die wohl zuerst in einer Urkunde der grubenhagenschen 
Herzöge vom Jahre 1458 vorkommt, dann im Revers der Braunschweiger Herzöge 
ron 1488 — Ribbentrop, I, Nr. 8 — wiederholt ist. 
:) v. Heinemann, Braunschw. Geschichte, Bd. 2, S. 236.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.