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Bald hernach fanden die für die Vertreter der Stadtgemeinden, wie des
freien bäuerlichen Grundbesitzes erforderlichen Ergänzungswahlen statt und durch
Verordnung vom 9. Oktober 1820 wurden die Stände auf den 23. November
desselben Jahres zum allgemeinen Landtag zusammenberufen. Es harrten
ihrer, abgesehen von der Feststellung der Etats, zahlreiche und bedentsame Auf—
gaben auf dem Gebiete des Landesschuldenwesens, der Steuergesetzgebung 1), des
Justizwesens, der gewerblichen und Gildeverhältnisse. Der Tätigkeit und dem
Geschick der eingesetzten Kommissionen gelang es, die bei manchen Fragen scharf
hervortretenden Gegensätze auszugleichen und überall ein Einvernehmen mit der
Landesregierung herbeizuführen. Nach Feststellung des Landtagsabschiedes ist
der Landtag am 12. Angust 1823 geschlossen. —
In einem Patent vom 6. Juni 1823 hatte der Regent die Erklärung
abgegeben, am bevorstehenden 30. Oktober, dem Tage, an welchem der Herzog
Karl sein 19. Lebensjahr vollendet haben werde, die vormundschaftliche Re-
gierung niederlegen zu wollen, in der Hoffnung, daß der Herzog „bei der sorg-
fältigen Vorbereitung, welche Se. Liebden genossen, nunmehr sich im Stande
befinden werde, Sich der Lasten der Regierung zum wahren Wohl und Nutzen
Seiner Lande selbst zu unterziehen"“. Es ist bekannt, wie schmachvoll diese
Hoffnung getrogen hat. Des Herzogs Verhalten gegenüber den Ständen, die
ihm durch den engeren Ausschuß schon im Juli 1823 zum bevorstehenden Re-
gierungsantritt den Ausdruck ihrer Ergebenheit und ihres Vertrauens hatten
darbringen lassen, erregte von vornherein einiges Mißtrauen. Zwar hatte er
sich das bei einem Thronwechsel übliche Geschenk der Landschaft im Betrage
von 20 000 Talern?) in Gnaden gefallen lassen, aber er stellte in seinem
Patent vom 30. Oktober 1823 die Neversalen nicht aus, wie er dagegen freilich
auch von der Forderung des Erbhuldigungseides einstweilen absah. Der Land-
tag wurde auch dann nicht einberufen, als die Beratung der neuen Etats zur
dringendsten Notwendigkeit geworden war. Auf eine mündliche Aufrage der
Mitglieder des Ausschusses nach dem Grunde der Unterlassung gab — im
Frühjahr 1826 — einer der Geheimen Räte ausweichende Antwort und riet,
mit amtlichen Anträgen noch zu warten, da es nicht auf einige Monate ankomme
und die Versammlung wohl bis in den Herbst verschoben werden dürfe. Um diese
Zeit aber erfolgte die Entlassung des verdienten Geheimrats v. Schmidt-Phiseldeck
aus dem Staatsdienste, und unterm 10. Mai 1827 erschien das bekannte Patent
des Herzogs, das den Rechtsbestand aller dem letzten Jahre der Regierungs-
vormundschaft angehörenden Verordnungen und Iunstitutionen in Frage stellte.
1) Darunter namentlich die Gesetzesvorlage betreffs der Ausgleichung der öffent-
lichen Abgaben, durch welche die bisherigen Steuerbefreiungen der Ritterschaft gegen
Entschädigung (Steuer-Reluitionsscheine) in Wegfall gebracht wurden.
2) Diese althergebrachte Spende stellt ein Entgelt dar für die Bestätigung der
landständischen Privilegien seitens des jeweiligen Regierungsnachfolgers. Sie ist in
der Regel vom Empfänger zu milden Zwecken verwendet, so vom Herzog Karl Wil-
helm Ferdinand zur Errichtung des Krankenhauses in der Stadt Braunschweig. Noch
der Herzog Wilhelm hat sie bei seinem Regierungsantritt erhalten.