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gemeinsam nachgelebt werden könne, und mit dieser Über-
zeugung steht und fällt sie! —
Darin und in anderm ist der Freimaurerbund der
gerade Gegenpol des Jesuitenordens (über welchen gleich-
zeitig mit diesem Schriftchen ein besonderes erschien).
Denn eine jede von diesen beiden Gesellschaften besitzt ge-
rade jene Eigenschaften, welche der andern fehlen. Die
Jesuiten sind streng zentralisiert, die Freimaurer durchaus
dezentralisiert; jene gehorchen den Befehlen eines einzigen,
diese dem Willen der Mehrheit; jene machen die Mora-
lität von Gründen der Zweckmäßigkeit, diese von der Rück-
sicht auf das Wohl der Menschheit abhängig; jene anerkennen
nur einen Glauben, ohne ihm doch aufrichtig anzuhangen,
diese ehren jede aufrichtige Uberzeugung, ohne eine einzelne
solche als alleinseligmachend anzuerkennen; jene suchen die
Selbständigkeit der Einzelnen zu unterdrücken, diese vielmehr
sie zu entwickeln. Denn ohne Zweifel ist der Freimaurer-
bund diejenige unter den sogenannten geheimen Gesellschaften,
in welcher der Aufgenommene die meiste Unabhängigkeit
bewahren und den größten Nutzen für die Menschheit stiften
helfen kann, — wenn er will. Faule Arbeiter im
Weinberge des Herrn giebt es überall und sie nützen nirgends
etwas. Ferner ist der Freimaurerbund die einzige weltliche
Gesellschaft, welche einen namhaften und umfangreichen
Zweig der Litteratur begründet hat, der ganze Bibliotheken
füllt und jeden, der belehrt sein will, am besten von der
Nichtigkeit der dem Bunde zugeschobenen politischen und
kirchlichen Zwecke überzeugen kann. Endlich hat der Frei-
maurerbund, so sehr zerklüftet und so wenig einheitlich er
auch ist, doch die große Bedeutung und den großen Wert,
daß er, so weit er seiner Idee treu bleibt, die goldene
Mittelstraße wandelt und daß mit jedem Bruder, den er
aufnimmt, einerseits der Inquisition und anderseits der
Anarchie eine Seele entrissen wird.