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Stadtkirchen zurück. Es geschah dies namentlich seit dem
Anfange des 13. Jahrhunderts, und die stattgefundene Ver
änderung in der Leitung der Bauvereine, die sich nun
selbst regierten, verriet sich auch durch das Aufkommen eines
neuen Baustiles. Derselbe trug nicht mehr den klösterlichen
Stempel. An die Stelle einzelner Säulen traten zusammen-
gefügte Bündel von solchen, als Sinnbild der freien
Vereinigung und der Stärke durch Eintracht Gleicher, an-
die Stelle der runden Bogen spitzige, um zu bezeichnen, daß
die zum Baue mitwirkenden Kräfte sich nicht willenlos in
einander verschmelzen lassen, sondern von beiden Seiten her
ihre Individualität bis zur Erreichung des Zieles geltend
machen und das über ihnen Stehende gemeinschaftlich tragen,
an die Stelle eingedrückter, gedeckter Türme hohe, bis zur
Unendlichkeit hinaufstrebende, von allen Seiten offene, als
wollten sie sagen: wir sind, was wir sind, — wir lassen
uns nicht unter einen Hut bringen, unser Wesen ist durch-
sichtig und klar, frei und offen, nur dem Himmel unter-
than. Dazu kamen Verzierungen in den Fensterbögen,
welche in jedem eine verschiedene Figur zeigten und damit
gegen alle schablonenartige Einförmigkeit protestierten. Es
war die echt germanische oder gotische Baukunst; denn
traten auch ihre Anfänge zuerst im nördlichen Frankreich zu
Tage, das aber stark von germanischen Elementen durch-
säuert war, so erhielt sie doch erst in Deutschland ihren
vollen eigenartigen Charakter und ist daher als ein Triumph
des freien, deutschen, die ungestörte Entwickelung und unge-
hemmte Selbständigkeit der Einzelnen begünstigenden Geistes
zu betrachten. Sie ist aber auch ein Ausdruck des Mysticis-
mus, welcher in unzähligen zum Himmel strebenden Spitzen
das Göttliche sucht. Die gotische Baukunst hat daher in
ihren ungeheuern Gewölben und schmalen Fenstern etwas
düsteres, melancholisches. Sie begünstigt das freie, selbst-
thätige Sich in sich selbst versenken, ist also gleichermaßen