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ihren Versammlungen der Besprechung politischer und
religiöser Fragen zu enthalten. Diese Gebote sind aber
unmöglich streng durchzuführen und werden daher häufig,
ohne schlimme Absicht, verletzt. Denn wer will genau be-
stimmen, wo die Begriffe „politisch" und „religiös“ an-
fangen und wo sie aufhören? Wie soll es ausführbar sein,
moralische, sociale und wissenschaftliche Gegenstände, die doch
den Freimaurern überall erlaubt sind, zu besprechen, ohne
dabei mehr oder weniger an Politik und Religion anzu-
streifen? Wie will man und wer will es den Freimaurern
verbieten, sich unter sich über die von den Päpsten gegen
sie ergriffenen Maßregeln auszusprechen? Es giebt im Frei-
maurerbunde keine Censur, und somit kann er es auch
nicht verhindern, daß einzelne hitzige Brüder bisweilen „über
die Schnur hauen“" und die Außenwelt glauben machen,
ihre extremen Ansichten seien solche des Bundes. Was aber
radikale Freimaurer bisweilen sündigen, das bringen ihre
konservativen Brüder redlich wieder durch Außerungen ein,
die den Ultramontanen sehr gut gefallen würden, wenn es
nicht im Interesse der letzteren läge, diesen Umstand totzu-
schweigen und unter dem Namen „Freimaurer“ alle ihre
Gegner in einen Topf zu werfen, d. h. unter einem Namen,
der für den ungebildeten Teil des Volkes etwas unheimliches
hat und in abergläubigem Wahn sogar mit dem Fürsten
der Hölle in Verbindung gebracht wird. Das ist ein be-
quemes Mittel bei Wahlen u. dergl. und wird es wohl
noch lange bleiben. —
Die Freimaurer, unter denen sich der Schreiber dieser
Zeilen bewegt hat, nämlich diejenigen der Schweiz und eines
Teiles von Deutschland, hat er durchweg als Männer von
Ehre, als ruhige, gemäßigte Bürger, als Feinde jeder
politischen und konfessionellen Agitation kennen gelernt.
Und das nicht etwa aus Mangel an Einweihung in gewisse
Geheimnisse; denn der Verfasser ist soweit gestiegen, als es