— 111 —
Polizei bleibt. Krank Befundene werden jedes Mal sofort
in die Charité befördert.
Es wäre, trotz der schärfsten Kontrolle s schlechterdings
unmöglich, daß in einer großen Stadt mit so sehr wechselnder
und zu starkem Teile unverehelichter Bevölkerung ein Übel
abnähme, das auf einer physiologischen Thatsache beruht,
welche niemals zu ändern sein wird. Es wäre schon ein
sehr erfreuliches Ergebnis, wenn nachgewiesen werden könnte,
daß das mathematische Verhältnis der gesamten Prostitution
zur Volkszahl nicht gestiegen wäre. Wohl kann mit ziem-
licher Sicherheit angenommen werden, daß es nicht gestiegen
ist, weil das Verhältnis der kontrollierten Prostitution in den
letzten Jahren sich ziemlich gleich blieb; aber die Prostitution
hat einen weit größern Kreis der Einwirkung als bloß das
Preisgeben um Geld. Ihr Reich erstreckt sich über die
verderbte Phantasie einer ganzen Bevölkerung, und es ist
dies in den letzten Jahrzehnten in besonders hohem Maße
der Fall. In früherer Zeit hatte die Prostitution einen
rohern und dadurch unschädlichern Charakter; denn durch
ihre Derbheit stieß sie jeden wohlerzogenen Menschen ab
und blieb auf die Zahl der eigentlichen Wüstlinge beschränkt.
Seit den letzten zwanzig bis dreißig Jahren jedoch hat eine
raffiniertere Wirksamkeit dieses Ubels begonnen, deren Quelle
nirgends anders gesucht werden kann, als in den demorali-
sierten Zuständen des zweiten französischen Kaiserreiches. Nach
dem Staatsstreiche vom 2. December 1851 wurde die Ver-
führung zur Frivolität in ein System gebracht. Es kamen
die Darstellungen nackter Figuren in die Mode, nicht in
naiver Unbefangenheit und Absichtslosigkeit wie im alten
Griechenland, sondern mit der ausdrücklichen Absicht, die
Sinnlichkeit zu reizen, die Begierden aufzustacheln. Dazu
gesellten sich die lüsternen Romane eines Eugen Sue, Alex.
Dumas Vater, Paul de Kock, Houssaye, Roqueplan, die
Ehebruchsdramen von Alex. Dumas Sohn u. A., die lüder-