schuld beranbt worden, oft sogar durch Jene, die ihre Be-
schützer sein sollten und dies Recht mißbrauchten, oder,
— was das Empörendste, durch ihre eigenen Eltern der
Schande in die Arme geführt, oder endlich durch Jene, die
ihnen von Liebe sprachen, verführt und dann schmählich
verlassen worden.
Aber nicht nur diejenigen Mädchen, die von den
genannten Schicksalen betroffen wurden, unterliegen den
teuflischen Seelenverkäufern und ihrem infamen Gewerbe.
Auch solche, die nicht gerade zu den Elenden gehören, aber
doch auf den Erwerb der Lebensbedürfnisse durch Arbeit
angewiesen sind, werden zu Opfern jenes Schachers. Die
ihn betreibenden Raubtiere in Menschengestalt wissen aller-
orten die weibliche Unschuld und Anmut aufzustöbern, treten
mit Schmeichelei, Heuchelei und Lüge an sie heran, und
sind freigebig mit Versprechungen glänzender oder doch
günstiger Stellen, von der Gesellschafterin oder Erzieherin
in vornehmem Hause bis zur Köchin und Stubenmagd bürger-
lokale herab. Und wenn sie das Opfer in Händen haben, so
wird es auf die Reise mitgenommen, und ist das vorgespiegelte
Ziel erreicht, so entpuppt sich das Haus, in welchem der Hafen
der Sicherheit winkte, als ein scheußlicher Schlupfwinkel des
Lasters und der Schande, als ein Kerker, in welchem Jugend
und Unschuld, Leib und Seele rettungslos zu Grunde gehen!
Man hat sentimentale Romane und Dramen über die
Sklaverei der Neger geschrieben: — hat man kein Herz
und keine Thräne für europäische, weiße Mädchen, oft
von der bestrickendsten Unschuld und Anmut, die jeden Mann
auf die Dauer glücklich machen würden, die aber, ohne daß
sich eine Hand für sie rührt, ja nicht selten mit Duldung
oder gar mit Vorwissen der Polizei in Kerker gesteckt, zum
Laster gezwungen und in den Rachen der mit wohlgefüllten
Beuteln versehenen Wüstlinge geworfen werden?