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Sitte, persönliche Freiheit und alles Heilige frech mit Füßen!
In Hamburg wohnten 1881 ein angeblicher Kaufmann,
Arthur Siedeberg aus Memel, und ein Gärtner, Andreas
Lotze aus Ostpreußen, am holländischen Brook Nr. 23, gaben
viel aus und suchten mittels Inseraten in vielen deutschen
und österreichischen Blättern Mädchen von angenehmem
Äußern als Gouvernanten, Verkäuferinnen und Dienst—
mädchen nach London, mit gutem Gehalt und Vergütung
der Reisekosten. Die sich Meldenden sollten ihre Photographie
und Adresse unter einer Chiffre an das Annoncenbureau Daube
und Comp. in Berlin senden. Viele Mädchen meldeten sich
und die, welche gefielen, wurden nach London spediert, um
im Schmutze unterzugehen. Die Behörden aber kamen den
Verbrechern auf die Spur und sie wurden verhaftet.
In Montbrison (Frankreich) versah 1881 ein gewesener
Schullehrer, Louis Demeure, die Bordelle im Loire-Gebiete
mit Mädchen, die er als Bonnen, Kellnerinnen u. s. w. zu
placieren vorgab. Ihn unterstützte in diesem infamen Handel
seine Frau, für die er zu seinen 100 Fr. Kommissionsgebühren
noch 5 Fr. für Toilettengegenstände verlangte. Sie suchten
besonders Minderjährige, die sie dann für Mehrjährige aus—
gaben, in ihre Netze zu bekommen. Im Geschäftsjargon
wurden die unglücklichen Verkauften (wie an anderen Orten
auch, namentlich in Belgien) als Kollis (Warenballen) bezeichnet.
Demeure hatte seinen Tarif und seine festen Preise. Das
saubere Paar wurde entdeckt; aber der Mann erhielt nur (1)
ein Jahr und einen Tag Gefängnis und das Weib, welches
die Verratenen eskortierte, sogar nur sechs Monate! Wahr-
scheinlich haben sie nachher ihr „Geschäft“ wieder „eröffnet.“
Gegen Ende November 1883 kam in Montevideo der
Dampfer Bearn mit 14 deutschen und schweizerischen Mädchen
an, deren männliche Begleiter unter sich eine Sprache führten,
welche bezüglich des Bestimmungsortes ihrer „Schutzbefohlenen“
keinen Zweifel gestattete.