Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

Wirtshäusern und Schenken als notwendig sind. Beide 
nun findet gerechten Tadel bei allen Rechtlichgesinnten. Muß 
aber dieser Tadel nicht auch die Ermächtigung der Unzucht 
durch Bordelle und Sittenkontrolle treffen? 
Soll denn also, wird man fragen, der Staat die geheime 
Prostitution, die aber in den meisten Fällen, und zwar nicht 
nur soweit sie auf der Straße spielt, eine öffentliche ist, 
einfach gewähren lassen? Keineswegs! Sie darf so wenig 
geduldet werden wie diejenige in Bordellen. Ja wir möchten 
mit Dr. F. W. Müller“) theoretisch die gewerbsmäßige 
Unzucht überhaupt als strafbares Vergehen betrachten, wenn 
sich dies ohne Mißbräuche und „Mißverständnisse“ (von diesen 
weiterhin) durchführen ließe und wenn es überhaupt gerecht 
wäre (wovon das Gegenteil sofort gezeigt werden soll.) Die 
Polizei widmet sich, wie männiglich bekannt und überall ein 
Gegenstand allgemeiner Klage ist, so vielen kleinlichen und 
zum Teil lächerlichen Chikanen gegenüber dem Publikum, 
indem sie z. B. seit dem Erlasse des Sonntagsruhegesetzes 
sogar das Stricken und Photographieren verbietet, daß sie 
füglich zu einer umfassendern Thätigkeit gegenüber der 
Prostitution angehalten werden könnte. Sie müßte verpflichtet 
werden, sowohl Dirnen, welche auf der Straße oder an 
Fenstern und Thüren u. s. w. sich in herausfordernder Weise 
benehmen, als auch Männer, welche sich dem entsprechend 
verhalten oder ehrbare Frauen belästigen, und endlich beide 
Klassen im Falle lärmender Gelage in Wirts= oder Privat- 
häusern unnachsichtlich zu verhaften. Jene Dirnen wären 
dann in eine Arbeitsanstalt zu befördern, jene Männer 
aber mit einer Geldbuße und im Rückfalle mit Gefängnis 
zu bestrafen. 
Dabei wäre aber sorgfältigst darauf zu achten, daß 
nicht, wie in großen Städten (besonders in Paris) oft vor- 
*) Ein ernstes Wort über die Prostitution, Regensb. 1891 
und Die Prostitution in Deutschland ebd. 1892.
	        
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