Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

kommt, ehrbare Frauen und Mädchen unter falschem Verdachte 
polizeilich behandelt (verhaftet und sogar eingesperrt) werden. 
Eine einigermaßen geübte Polizei kann, wenn sie ernstlich 
will, Dirnen von anderen weiblichen Personen leicht unter- 
scheiden, müßte sich aber, um die ehrbaren Frauen besser zu 
schützen, auf wirklich auffälliges Betragen beschränken. 
Denn wenn das bloße Anreden, Anhalten oder Zusammengehen 
zum Einschreiten berechtigte, könnten ja alle harmlosen 
Bekannten, die sich treffen, einer unerträglichen Polizeiwillkür 
zum Opfer fallen. Darum wäre es auch zu empfehlen, diese 
Aufgabe der allgemeinen Polizei zu übertragen und eine 
besondere Sittenpolizei gar nicht mehr bestehen zu lassen. 
Auch ist es durchaus notwendig, daß die in solchen Fällen 
einschreitenden Beamten Uniformen tragen, damit es 
nicht jedem zweifelhaften Individuum möglich wird, unter 
der Maske eines Polizisten in Civil das Publikum zu belästigen. 
Am leichtesten wäre diese Aufgabe dort zu erfüllen, wo 
Kinder zur Prostitution herabgesunken sind. Unerwachsene 
Mädchen sollten unter keinen Umständen nach Sonnenuntergang 
auf der Straße zu dulden sein und müßten, falls betroffen, 
nach Hause oder in passende Anstalten (Asyle) gebracht werden. 
Im Interesse der Sittlichkeit müßte es den obengenannten 
Zwangsarbeitsanstalten für Dirnen ausschließlich zustehen, 
diese ärztlich untersuchen zu lassen und wenn krank befunden, 
in das Spital zu versetzen. Selbstverständlich müßten diese 
Anstalten auch reuigen Gefallenen offen stehen. Es wird zur 
Pflicht des Staates werden müssen, dieselben ins Leben zu 
führen und dies wird um so leichter sein, wenn die Kosten 
einer besondern Sittenpolizei wegfallen. 
Da weibliche Personen, welche in den Abgrund der 
Prostitution versinken, ursprünglich immer einer Verführung, 
Uberlistung oder Vergewaltigung unterlegen sind, so darf 
sie wegen der bloßen Thatsache der Prostitution keine Strafe 
treffen. Wohl aber muß dies geschehen, wenn sie so tief
	        
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