Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

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Das gelobte Land dieser Ungeheuerlichkeit war indessen 
Chaldäa. Hier mußte jede Frau des Landes sich einmal 
im Leben zum Heiligtum der Göttin begeben, welche die 
Hellenen Aphrodite nannten, die in Assyrien und Babylonien 
Belit (bei Herodot Mylitta) hieß. Die Reichen fuhren in 
Wagen dahin, begleitet von zahlreicher Dienerschaft. Im 
heiligen Hain der Göttin setzten alle Jungfrauen sich, das 
Haupt mit einem Stricke umwunden, in Reihen nieder. 
Zwischen diesen gingen dann die in Babylon angekommenen 
Fremden hin und her und hielten Auswahl. Jede Babylonierin 
mußte da verweilen, die Häßlichen oft Jahre lang, bis 
einer der Fremden ihr ein' Goldstück in den Schoß warf, 
mit dem Worten: „Wohlan im Namen der Göttin Mylitta.“ 
Dann mußte sie sich mit ihm entfernen und ihm zu Willen 
sein, ob er ihr gefiel oder nicht. Darauf durfte sie nach 
Hause gehen, und Herodot behauptet, daß eine solche Frau von 
nun an nicht mehr zu erkaufen gewesen (I. 199. Strab. XVI 1). 
Dem widerspricht aber der Ruf, den Babylon im Altertum 
immer und überall hatte. Erzählt ja der Genannte selbst, 
daß die armen Leute in Babylon, seit dessen Unterwerfung 
durch die Perser, ihre Töchter prostituierten (I. 196). Quintus 
Curtius, der Geschichtschreiber Alexanders des Großen, nennt 
Babylon die verdorbenste Stadt der Welt, in welcher Bäter 
die Töchter und Gatten die Gattinnen den Gästen preis- 
gaben und sogar Matronen und Jungfrauen an Schamlosig- 
keitmit den öffentlichen Dirnen wetteiferten, ja bei Gastmählern 
stufenweise frecher wurden und zuletzt alle Kleider abwarfen 
(Curt. V. 1, 6). 
Diese babylonischen Unsitten herrschten in religiöser 
und weltlicher Beziehung bei allen semitischen Völkern des 
Altertums, namentlich bei den Phönikern und auf der 
Insel Kypros, und zwar in diesen beiden Gegenden in 
der Art, daß die Jungfrauen den Fremden an das Meeres- 
ufer entgegen gingen. Eine ähnliche Prostitution waltete
	        
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