Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

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Im „Hohenliede,“ diesem glühend sinnlichen Liebes- 
gedichte (5, 7), finden wir geradezu die älteste Nachricht 
von einer Sittenpolizei; denn es werden darin Wächter 
erwähnt, die während der Nacht in Jerusalem herumgingen 
und verdächtige weibliche Personen schlugen, ja verwundeten, 
und ihnen die Kleider wegnahmen! — 
Im Ganzen erscheinen uns die sittlichen Zustände des 
Orients, nicht nur im Altertum, sondern auch noch heute, 
von einer fast rührenden Naivetät durchdrungen. Das Recht 
und die gesellschaftliche, besonders aber die religiöse Ordnung 
galten dort stets und gelten noch jetzt mehr als die Gebote 
der Sittlichkeit. Das Bewußtsein, daß eine Handlungsweise 
an sich, ohne Rücksicht auf die Verletzung der Rechte Anderer 
durch dieselbe, verwerflich sein kann, ist noch sehr unvoll- 
kommen. Es bedurfte, ja bedarf noch jetzt bei uns großer 
Anstrengungen, um jenes Bewußtsein zum Siege zu bringen 
und die große Menge zu überzeugen, daß allein in diesem 
Siege das Glück der Menschen liegt. 
 
	        
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