Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

564 Greßbritannien. (August 21. 22.) 
Seekriegsrechtsdeklaration von 1909 während des Krieges für sich 
als maßgebend betrachten will. 
Diese Ausnahmen betreffen vor allem eine Erweiterung der Konter- 
bandeliste und eine Einschränkung des Unterschiedes zwischen bedingter und 
unbedingter Konterbande. 
1. August. Wirtschaftliche Mobilmachung gegen Deutschland. 
Aus London wird der „Täglichen Rundschau“ gemeldet: Die Re- 
gierung macht große Anstrengungen, unter Ausnüz ng des Krieges Deutsch- 
land von den Auslandsmärkten zu verdrängen. Beim Handelsministerium 
ist eine besondere Abteilung unter dem Titel „Handelsinformationen“ neu 
eingerichtet, die sich mit dieser Aufgabe befassen soll. Die Regierung sam- 
melt durch ihre Organe in den Kolonien wie im neutralen Ausland Muster 
deutscher Waren. Diese sollen in London ausgestellt werden. Der Handels- 
minister fordert durch ein Rundschreiben die englische Erwerbswelt auf, 
die jetzige Konjunktur auszunutzen. 
22. August. In der Zeitschrift „The Nation" gibt A. Ponsonby 
folgende Kritik der Greyschen Politik: 
Wenn wir, die wir glauben, daß sehr schwere Fehler begangen 
worden sind, noch weiterhin in Stillschweigen verharren würden, werden 
diese Irrtümer nie festgestellt und die Hoffnungen auf Pbt künftige Auf- 
klärungen zunichte werden. Ponsonby stellt dann einige Fragen, die, mit 
ja oder nein beantwortet, knapp die Anschauungen seiner Gesinnungs- 
genossen darstellen. 
1. Zeigt die in unserm Weißbuch über die Ursachen des Krieges 
niedergelegte Korrespondenz nicht deutlich, daß unsere ganze frühere Politik 
uns stark verpflichtete und in ein von uns selbst geschaffenes verwickeltes 
Maschennetz verstrickt hatte? — Ja. 
2. Ist es recht oder auch nur ratsam, im geheimen hinter dem 
Rücken eines Volkes bindende Abmachungen mit andern Nationen zu treffen? 
— Nein. 
3. Hat unsere Regierung ausdrücklich erklärt, daß wir im Kriegs- 
falle völlig frei und ohne Verbindlichkeiten seien, während die britlschen 
und französischen Marinesachverständigen Pläne zu gegenseitiger Verteidi- 
gung und Hilfeleistung ausarbeiteten? — Ja. 
4. Würden wir Frankreich den Krieg erklärt haben, wenn Frankreich 
für notwendig gefunden hätte, im Interesse der nationalen Sicherheit die 
französische- Armee über die belgische Grenze zu schicken? — Nein. 
5. Hat Deutschland von Anfang an gewußt, daß wir vertraglich 
verpflichtet waren, Frankreich zu unterstützen, und wollte Deutschland Krieg 
gegen uns führen? — Nein. 
6. Würde die Haltung Deutschlands nicht erheblich anders gewesen 
sein, wenn wir von Anfang an unsere Absichten klar und offen dargelegt 
hätten? — Ja. 
7. Bezieht sich Deutschlands Hauptbefürchtung nicht in erster Linie 
auf einen slawischen Einfall von Rußland her? — Ja. 
Z. Bedeutet unsere Unterstützung Rußlands nicht eine Stärkung der 
russischen Autokratie und des russischen Militarismus und infolgedessen 
eine Beeinträchtigung der Entwicklung und Aufklärung des russischen Volkes? 
B Wird ein russischer Erfolg nicht weiteren europäischen Land- 
erwgt für Rußland bedeuten und wäre ein solcher nicht höchst unerwünscht? 
— Ja.
	        
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