Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

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die Kirche so sehr bloßstellten. Statt der aufgehobenen 
offiziellen Frauenhäuser entstanden zahllose heimliche, in denen 
die Syphilis wütete, und durch welche sie sich schrankenlos nach 
allen Seiten verbreitete. Daß vollends das Theater des 
16. und 17. Jahrhunderts voller Unflätereien war, kann 
nicht in Verwunderung setzen; namentlich hatte das vorher 
verpönte Auftreten von Damen auf der Bühne vielerlei 
Unziemlichkeiten und Argernis im Gefolge. Auch die be- 
kannte von den Jesuiten, den damals einflußreichsten Pre- 
digern, besonders von Escobar und Tamburini, gelehrte 
Moral auf der Grundlage des Probabilismus konnte keine 
guten Früchte tragen.) 
Die strengen Maßregeln, welche man infolge des, wie 
erwähnt, erwachten moralischen Eifers am Ende des 16. Jahr- 
hunderts gegen die Prostitution in bloß negativer Weise 
ergriff, ohne etwas Positives zu schaffen, hatten natürlich 
keine Wirkung. In der Verlegenheit und Unsicherheit darüber, 
was geschehen sollte, kehrte man im 17. Jahrhundert zur 
Toleranz des Mittelalters zurück, und es entstand nach und 
nach die moderne Reglementierung. Die Maitressenwirtschaften 
Ludwigs XIV. und XV. und ihrer Nachahmer im übrigen 
Europa, der von der berüchtigten Pompadour ihrem königlichen 
Liebhaber errichtete Hirschpark, welcher auf ähnliche Weise re- 
krutiert wurdewieidieheutigen Schandhäuser, nämlich durch Kauf 
gefallener oder einfache Vergewaltigung unschuldiger Mädchen, 
— hatten ihr drastisches Gegenbild in den Günstlingswirt- 
schaften der russischen Zarinnen des 8. Jahrhunderts: Ka- 
tharina I., Anna, Elisabeth und in besonders argem Maße 
Katharina II. Aber weder diese Greuel, noch die schamlosen 
Schriften französischer Wüstlinge im 18. Jahrhundert (Crebillon 
der Jüngere, Marquis de Sade und Louvet de Couvray) 
*) Vergl. des Verf. Buch „Die Jesuiten etc.“, 3. Aufl., Leipzig 
1893 (im näml. Verlage).
	        
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