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auf dem Bahnhofe St. Lazare einen Nachtzug erwartete,
zwischen den Eltern herausgerissen und auf die Polizei geschleppt!
Auch in die Cafés und sogar in die Häuser dringen diese
Tiger in Menschengestalt, welche nebenbei mit wirklichen
Prostituierten auf dem vertrautesten Fuße stehen, ohne Grund
und Anlaß, mißhandeln die Frauen, die sie finden und
schleppen sie, sogar aus den Betten, fort. Die schuldlos
Aufgegriffenen werden willkürlich im Gefängnis behalten und
gewaltsam untersucht, und wenn sie endlich freigelassen werden,
wobei man von „leicht begreiflichem Irrtum“ spricht, haben
sie indessen ihren Verdienst verloren! Aber: „Es rast die
Sittenpolizei und will ihre Opfer haben!“ Wer ein Mädchen
verführt hat, zeigt es, um es los zu werden, einfach der
Polizei als Prostituierte an! Man hat ganze Jagden der
tapferen Polizeiagenten auf vorübergehende Mädchen gesehen,
mit den scheußlichsten Mißhandlungen verbunden. Nicht
selten sind solche Unglückliche auf der Flucht vor der Schande
gestürzt und zu Krüppeln oder Leichen geworden. Die ein-
geschriebenen Dirnen dagegen, sie mögen sich so frech betragen
wie sie wollen, werden von denselben Agenten mit der größten
Rücksicht behandelt.
Guyot zeigt weiter, daß der „Handel mit weißen Skla-
vinnen“ in Frankreich gerade so blüht, wie für Belgien
aus den bekannten Brüsseler Prozessen hervorgeht, und daß
es in Paris und anderen Städten in gewissen Cafêés und
Restaurants förmliche Mädchenbörsen giebt! Und dieser
Handel wird von der „Sittenpolizei“ (la nicht zu verwechseln
mit der Strafpolizei und den Gerichten) sehr oft unterstützt.
Es wird die schamlose Weise beschrieben, wie die unglücklichen
Gefangenen der schlechten Häuser von deren Besitzern aus-
gebeutet, betrogen, in Schulden gestürzt und durch letztere
festgehalten werden.
Indem Guyot die näheren Verhältnisse der Prostitution
in Paris beschreibt, weist er schlagend die Inkonsequenz und