Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

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gestehen, daß sie sich in unerlaubter Absicht nach jener Passage 
begeben habe. In der Kammer wurde Andrieux darüber 
interpelliert, gab aber eine Rede zum besten, in welcher er 
sich so geschickt zu reinigen und Frau Eyben zu beschmutzen 
verstand, daß ihm großer Beifall zu teil wurde! Die Lügen, 
welche er ausgestoßen hatte, wurden aber durch die gerichtliche 
Untersuchung entlarvt. Das Gericht wagte zuerst nicht, gegen 
den mächtigen Andrieux einzuschreiten; aber der Justizminister, 
an den die Sache gelangte, sprach sich gegen eine Verfolgung 
der Frau Eyben aus. Diese wandte sich dann an die Kammer, 
und diese setzte einen Ausschuß nieder. Ohne den Bericht 
derselben abzuwarten, gab am 16. Juli Andrieux dem Mini- 
sterium seine Entlassung ein! Ihm folgte als Polizeipräfekt 
Herr Camescasse, welcher aber mehr darauf bedacht war, 
einen Sitz in der Kammer zu erlangen, als die Sittenpolizei 
zu verbessern. Während er auf Wahlreisen abwesend war, 
setzten seine Beamten die Verfolgung und grundlose Ein- 
sperrung anständiger Frauen fort. Camescasse ordnete auf 
die Beschwerden der Zeitungen hin telegraphisch Unter- 
suchungen an. Er wollte sogar die schuldigen Polizisten ab- 
setzen, wurde aber durch einen einflußreichen Polizeibeamten, 
Maé,t welcher abzudanken drohte, daran verhindert. Bald 
war Camescasse genau das, was Andrieux gewesen war, und 
die Regierung schützte auch ihn, so verwerflich die Execesse 
seiner Polizistenbanden waren, gegen die Beschwerden der 
Stadtbehörde. Der Streit zwischen dieser und der Polizei- 
präfektur führte endlich (1884) zur Verweigerung des Bud- 
gets derselben. Zwar war schon vorher die frühere „Sitten- 
brigade“" wiederhergestellt worden, aber auch ihre Wut gegen 
alleingehende ehrbare Frauen war wieder nicht nur die näm- 
liche, sondern die Razzien auf Nichtprostituierte (räflfes) wurden 
immer toller. Auch nach dem Rücktritte Camescasse's wurde 
es nicht besser, und man darf sagen, daß noch nirgends eine 
so empörende Sklaverei der Prostituierten und noch nirgends
	        
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