Full text: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

Gesetz, betreffend die Verfassung des deuischen Reichs. Art. 23. 113 
b. Ein im constituirenden Reichstage gestellter Antrag, daß der 
Bundeskanzler oder dessen Stellvertreter auf Verlangen des Reichstags bei 
dessen Verhandlungen amwesend sein müsse, wurde abgelehnt; cf. Anlagen 
zu den stenogr. Ber. v. 1867 S. 43, dann die sten. Berichte S. 444 ff. 
2. Der Absatz II wurde durch den constituirenden Reichstag bei- 
gefügt (Sten. Ber. S. 442 und 443). — Ueber die Praxis des 
preußischen Obertribunals in Bezug auf die Auslegung dieser ri# 
siehe Hirsemenzel, die Verfassung des norddeutschen Bundes 1 S. 85 ff. 
Art. 23. 
Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des 
Reichs Gesetze“) vorzuschlagen und an ihn gerichlete Petitionen?) 
dem Bundesrathe resp. Neichskanzler zu überweisen. 
1. Unter den Ausdruck „Gesetze“ fallen auch Anträge auf Erlaß 
neuer und Abänderung bestehender Gesetze. Da Verfassungsänderungen 
nach Art. 78 Abs. 1 der Verfassung in die Kompetenz des Reiches ge- 
hören, so wird dem Reichstage das Recht, derartige Aenderungen zu be- 
antragen, nicht zu bestreiten sein; siehe hierüber die ausführlichen Er- 
örterungen in dem deutschen Versassungsrechte von Rönne (Hirth's 
Annalen IV S. 
2. a. Die - daß der Reichstag berechtigt sei, Pelitionen 
anzunehmen und dem Bundesrathe resp. Reichskanzler zu überweisen, 
wurde auf Auregung des constituirenden Reichstags von 1867 in die 
Verfassung ausgenommen (Stenogr. Ber. S. 451). Aus diesem Satze 
solgt von selbst die Befugniß der Bundesangehörigen, an den Neichslag 
Petitionen zu richten; dieselbe ist auch von keiner Seite bestritten, gleich- 
wohl hat die von verschiedenen Seiten gehegte Vermuthung, daß man 
Beamte wegen einer Petition an den Reichstag disciplinirt habe, im ersten 
deutschen Reichstage zu lebhaften Debatten geführt (Stenogr. Ber. 1871 
S. 762—770.). 
Die eingegangenen Petitionen werden in der Regel d. h. wenn sie 
nicht mit einem bereits einer anderen Kommission vorliegenden Gegen- 
stande zusammenhängen, der Petitionskommission übergeben und ge- 
langen im Reichstage nur dann zur weiteren Erörterung, wenn solche ent- 
weder von der Kommission oder von 15 Mitgliedern des Reichstags be- 
antragt wird. 
Abgesehen hievon wird der Inhalt sämmllicher an den Reichstag 
gerichteter Petitionen von der Kommission durch eine in tabellarischer Form 
zu fertigende Zusammenstellung zur Kenntniß der einzelnen Mitglieder des 
Reichstags gebracht (§ 26 der Geschäftsordnung). 
Ob und in wieferne der Bundesrath oder Reichskanzler die durch 
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